FEUILLETON-REZENSION: Chronik einer angekündigten Krise

Rezension: Chronik einer angekündigten Krise

„Vollendete Tatsachen hinter verschlossenen Türen“

Bei Paul Schreyers Buch „Chronik einer angekündigten Krise“ heisst der Untertitel „Wie ein Virus die Welt verändern konnte“. Das Corona-Virus und die Reaktion darauf haben also schon „vollendete Tatsachen“ geschaffen. Zumindest sind Entwicklungstrends ins Marsch gesetzt worden.

Wenn die angekündigte Krise aus Paul Schreyers Buch und die Schwarzmalereien der Sciencefiction-Autoren des Buches „Pandemie“ dasselbe sind, dann ist diese Zeitenwende ein 2016 begonnenes Wendemanöver. Paul Schreyer versucht seit Januar 2020 zu verstehen, was gerade passiert, und fragt seinerseits die Leser seines im Westend-Verlag erschienenen Ebooks „Chronik einer angekündigten Krise“, ob ihnen das Verstehen gelang. Mir für meinen Teil bleiben zwei Fragen offen: Erstens: Wenn ein großangelegtes Wendemanöver stattfindet, wohin geht danach der neue Kurs? Kap Hoorn oder Tahiti? Zweitens: Wessen Interessen soll die Admiralität durchsetzen, die ihrem Flaggschiff den neuen Kurs vorgibt, ohne ihn zu nennen?

Man weiß es nicht, denn „noch immer fehlt eine große, aber alles umfassende Erklärung“. Immerhin scheint sich heraus zu stellen, dass Wissenschaft und Politik untrennbar sind, wenn man das Problem mit der Pandemie erklären will.

„Es geht nicht nur um die reine Wissenschaft, sondern immer auch um Politik“. (Schreyer)

Vermutlich bedeutet das: Politik ist immer von Interessen geleitet, aber fast nie repräsentiert politisches Handeln die Interessen Aller. Wenn Politik nicht interessengeleitet wäre, dann wäre der Sinn von Politik die Politik, also die Erprobung von Herrschaftsmethoden und Gesetzesregelungen an der Gesellschaft. Eine solche Sichtweise auf die Corona-Sache gibt es auch. Aber zwischen Politik und Gesellschaft muss es auch Schnittstellen geben. Wenn es keine Verbindung mehr gibt, dann wäre eine Abspaltung der Politik von der Gesellschaft die Folge. Das wäre auch das Ende der Demokratie, das offene Tor zum Faschismus und in der Tat eine Zeitenwende. Fukuyama wäre widerlegt, aber kein Triumph. Paul Schreyers Resümee: „Gesellschaftssteuernde Maßnahmen und Technologien werden zunehmend weltumspannend und zentral koordiniert wirksam.“ Künstliche Intelligenz und Schnittstellen zwischen Gehirn und Maschine schüfen die dazu notwendigen perfekten Maschinen, die auch noch zu Verrat und Mittäterschaft fähig sind.

In der Seefahrt hilft zur Not eine Meuterei. In der Gesellschaft aber muss man das Wagnis eingehen, sich seines eigenen Verstandes zu bedienen.

(Paul Schreyer, Chronik einer angekündigten Krise. Wie ein Virus die Welt verändern konnte, Westend, Frankfurt 2020)

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