Apropos Urheberrecht: Künstler, Kosten, Kultivierte

 Hannes Nagel

Apropos Neues Urheberrecht

Mittwoch, 6. Juni 2012

Künstler, Kosten, Kultivierte“

 Manche Menschen kleben bunte Glasscherben zusammen. Dann kommt zum Beispiel eine gelb-rote Blüte auf grünem Hintergrund zustande. Diese wird „Mosaik“ genannt. Der Ersteller erwartet und beansprucht zu Recht, dass seine Leistung als Kunst anerkannt wird.

Zuerst sind für die Anerkennung von Kunst die Leute zuständig, die an ihr Freude haben. Wer an einem Gemälde, einem Poem, einem Musikstück, einem Foto, einer Skulptur oder einer artistischen Darbietung Freude hat, erkennt durch die Freude an, dass es ein Kunstwerk war, welches ihm Freude bereitet hat.

Aber leben wollen Künstler auch. Manche bevorzugen einen anspruchsollen Lebensstil. Da reicht es nicht, mit dem Hut herum zu gehen und die Euros centweise zu sammeln. Das passt noch bei Straßenmusikanten oder Gauklern auf dem Jahrmarkt. Das Publikum ist begrenzt und das Entgelt reicht nicht. Der Künste aber gibt es viele verschiedene Arten. Manche haben großes Publikum. Da könnte das Entgelt wesentlich größer sein. Schon wachsen Begehrlichkeiten. Es zeigt sich nämlich, dass es Kunsturheber gibt und Mitverdiener. Zwischen diesen klaffen Lücken. Seit dem 21. März kommt das Thema zwischen Kunsturhebern, Kunstverwertern, Rechtewahrnehmern, Abmahnern, freiem Kunstgenuss und Arbeitslohn für die Mühen der Künste nicht mehr zur Ruhe.

 Wenn Kunst Gemeingut wäre…

Für ein Gemeingut kann keiner als finanzieller Nutznießer in Frage kommen. Hersteller von Brötchen oder Dienstleistungsbringer wie Frisöre oder Kellner stellen keine Gemeingüter her und werden deshalb individuell bezahlt. Das ist gut. Wenn Kunst Gemeingut wäre, müsste die Entlohnung der Künstler aus anderen Quellen kommen. „Wovon, bitte, sollen die Künstler leben?“, hieß am 25. Mai ein Kommentar im Tagesspiegel. Den Gemeinstatus de Kunst lehnt der Kommentar als „naiv-kommunistisch gedacht“ ab. Dies allederdings nur aus einem einzigen Grund: Weil die Gesellschaft „bis in die feinsten Kapillaren kapitalistisch ausgerichtet ist“. Den Satz verstehen viele bestimmt als Eingeständnis, dass der Kapitalismus nur für die Kunst zahlt, wenn sie ihm nützt. Wenn man also bei einer Bilderausstellung gleich noch Werbung machen kann. Oder bei einer Buchlesung. Oder oder oder. Das Online-Magazin Telepolis schrieb am 1. Juni: „Urheber erhalten meist nur Almosen von der Verwertungsindustrie“, woraus sich die Forderung ergibt: „Die Künstler wären besser beraten, für ihre eigenen Interessen zu kämpfen“.

Das Interesse der Kunst ist das Publikum. Kunst will wahrgenommen werden. Sie will wiedererkannt werden. Sie will ja, dass man das Originalgemälde im Museum oder in einer Ausstellung anschaut, aber für zu Hause einen Nachdruck hat. Des Dichters Ruhm ist hingegen Druck und Lesung. Wer schreibt, setzt von vornherein auf eine hinreichend große Auflage, die wird verkauft, Verlag und Autor teilen sich die Kohle, und schon kann sich der Autor ein Häuschen mit Garten, ein Hausboot an der Müritz oder wenigstens Miete, Krankenkasse, Versicherungen, Energie, Telefon und ein kleines Gefährt für sich und seine Gefährtin leisten.

Keiner der Beiträge sprach den Gedanken aus, dass der Lebensunterhalt der Kunst dort wo das Einkommen minimal ist aus Pfennigsammeln mit Aufstocken gestaltet werden könnte. Inzwischen gibt es genug Berechnungen, dass ein Bürgergeld oder ein bedingungsloses Grundeinkommen wirtschaftlich machbar wären. Das wäre zugleich auch sozial sinnvoll, gesellschaftlich nützlich, ist aber politisch unerwünscht.

 Soweit zum Vergütungsaspekt. Jetzt das Recht

In dem Wort Urheberrecht steckt das Wort Recht drin und das bedeutet Justiz. Also geht es mehr noch als um das Wohl der Künstler um das Bestrafen und Regeln von kopierten Bildern, die Herstellung von Tonträgern mit Gesungenem und Gesprochenem oder eine Serienfertigung von Gipsnachgüssen einer Originalskulptur. In der seit März geführten Debatte über ein neues Urheberrecht sieht man eine Begriffsvermischung zum Grinsen. Die Debatte selbst nimmt schon fast auch Kunstform an. Und dann vergüte mal die einzelnen Urheber, also alle, die einen Textbeitrag in die Debatte geworfen haben. Ich glaube, dann wird die Absurdität der Forderungen und viele ihrer Diskussionsrichtungen deutlich.

Dieser Beitrag wurde unter Aproposia veröffentlicht. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.