Per Saldo Minus

 Hannes Nagel

Das Flugblatt

Mittwoch, 20. Juni 2012

“Per Saldo Minus”

 In der Stadt Vineta lebten hochmütige Kaufleute über ihre Verhältnisse. Sie verschwendeten Ressourccen und die Stadt wurde bestraft, indem das Meer sie verschlang.

In der Stadt Barth sieht man sich als den Ort an, der an die Stelle des einstigen Vineta getreten ist. Die Stadt nennt sich daher auch „Vinetastadt Barth“. Barth wird das laufende Jahr mit einem Minus von 1,2 Millionen Euro abschließen. Dabei hat es gar nicht „über seine Verhältnisse“ gelebt, obwohl die Kommunalaufsicht des Landes das gerne so darstellen möchte, meint Bürgermeister Kerth. Das wollte er den Bürgern in einer Einwohnerversammlung am 19. Juni erklären. Barth hat 9000 Einwohner. Sie alle wurden von 6 Bürgern repräsentativ vertreten. Zwei repräsentierten die Presse, drei die Senioren und einer die Parkraumbewirtschaftung. Das Hauptproblem seien vorgeschriebene Ausgabenpflichten. 13 Millionen Euro stehen der Stadt durch Einnahmen Verfügung. Sie kann die Mittel aber nicht nach eigenem Ermessen ausgeben. Denn in der Kommunalpolitik sind Pflichtausgaben und freiwillige Ausgaben vorgesehen. Die oberen Ebenen können den Kommunen Ausgaben ins Pflichtenheft schreiben, auf die die Kommunen keinen Einfluss haben. „Vorsorgeleistungen“ heißen diese Ausgaben. Das sind Kosten für Strom, Wasser und Abwasser, Hochwasserschutz und dergleichen. 12,5 Millionen Euro sind dafür gebunden. Für freiwillige Leistungen einer Stadt: Theater, Museum, touristische Dienstleistungen und dergleichen stehen dann nur noch 500.000 Euro zur Verfügung. Das ist wie bei Hartz Vier: Zum Leben zu wenig, zum Sterben zu viel. Und darum können verschiedene Aufgaben des Straßenbaus, Radwegebaus und der Sanierung von so genannten Schandflecken nicht begonnen werden. Nix gemacht, Schäden wachsen, Kosten steigen, Einnahmen stagnieren – das ergibt per Saldo Minus. Aber der Bürgermeister redet nicht nur sehr schnell und sehr viel, er hat auch Visionen, die die Situation der Stadt verbessern könnten. „Wenn Barth Kurort wäre, dann könnte sich die Einnahmesituation dauerhaft stabilisieren und manchen Aufgaben, die jetzt noch freiwillige Leistungen sind, wären Pflichtleistungen und müssten dann gemacht werden“, meint er. Da ist etwas dran: Denn um Kurort zu werden, müsste die Stadt fertig saniert sein. Und dann wäre sie auch wieder als Wirtschaftsstandort attraktiv. Angesichts der landschaftlichen Kulisse käme vielleicht ein Kulturstandort mit Filmproduktion in Frage.

 

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