Hannes Nagel
Samstag, 22. September 2012
„Eine Krise macht Geschichte“
Irgendwo sagte irgendwer: „Geschichte erlebt man, wenn man einen dringenden gesellschaftlichen Handlungsbedarf fühlt“. In dieser Krise fühlt fast jeder einen Handlungsbedarf. Also ist die Krise ein Markierungspunkt in der Geschichte. Nur wo führt das hin?
Früher war es mit Armut, Krieg und Umweltsterben schön einfach und bequem für Europa. Alles war so schön weit weg, zu Hause lebt man ja doch noch sehr komfortabel und die einzigen, die einen dringenden Handlungsbedarf fühlten, waren Linke und Grüne und ein paar Wissenschaftler. Sie wurden ausgelacht, weil sie vor etwas warnten, was die Lacher nicht als sie selbst auch betreffend empfanden. Es betraf ja „die andern“, und wenn die sich „an uns“ ein Beispiel nehmen würden, dann hätten sie auch ihre Probleme nicht. Heute kommen die Einschläge näher, und auch ehemalige Lacher sind betroffen, denn mit der Nähe der Einschläge verkürzen sich auch die zeitlichen Pausen zwischen ihnen. Einerseits ist es die Krise der Finanzmärkte, von der eigentlich jeder betroffen ist, der Geld in irgendwelchen Anlagen zu stecken hat. Aber auch wer nichts hat, hat keinen freudigen Grund zu lachen. Wo in konventionellen Kriegen Menschen als Kanonenfutter missbraucht wurden, werden sie jetzt als Kapitalfutter missbraucht. „Armut bringt Profit“, kommentierte N-TV die Rentenpolitik von Arbeitsministerin von der Leyen am 21. September 2012, und am 11. September schrieben sie: „Europa: Willkommen in der 3. Welt“. Darin hieß es, dass der Widerstand der Arbeitslosen gegen Methoden der „Krisenbewältiger“ zum Teil militante Formen annimmt. Militante Formen ist ein Indiz für die reale Gefahr eines europäischen Bürgerkrieges. Dafür spricht auch ein Artikel des Internetmagazins Telepolis vom 3. September: „Bundeswehr will Häuserkampf auch für Inlandseinsätze trainieren“. Weitere Lageberichte: Von Telepolis am 21. September: „In Griechenland spitzt sich die soziale Krise weiter zu, doch die Troika bleibt erbarmungslos“. Von Focus: „Autor (Uwe Telkamp – H.N.) fürchtet Bürgerkrieg als Folge der Eurokrise“. Von N-TV am 19. September: „Protest gegen Mohammedkarikaturen: Frankreich schließt Botschaften“, und zwar in 20 Ländern. Von Telepolis: „Wie groß ist die rechte Gefahr in Griechenland?“
Und in Deutschland wachsen Armut und soziale Ungleichheit. Zum Glück greifen Publizisten die drohende Bürgerkriegsgefahr in Europa auf, indem sie Bücher verfassen wie Jean Ziegler, „Der Haß auf den Westen“, Steven Pinker, „Gewalt“, Ilija Trojanow und Julia Zeh, „Angriff auf die Freiheit“, David Graebner, „Occupy“ und Janne Teller „Krieg. Stell Dir vor, er wäre hier“.