REZENSION: Die Brüder Casanova”

REZENSION

Rezension „Die Brüder Casanova“

„Ein berühmter Tunichtgut“

Als Giacomo Casanova seine letzten Lebensmonate auf Schloss Dux verbrachte, muss ihm klar geworden sein, dass er bisher das Leben eines Tunichtgutes geführt hatte. Im Gegensatz zu seinem malenden Bruder Giovanni hatte er außer einem Trampelpfad durch gebrochene Herzen, Ermittlungsakten als Finanzbetrüger einer umfangreichen Krankenbiographie als Mann mit häufig auftretenden Geschlechtskrankheiten kein Lebenswerk zu hinterlassen. Giacomo Casanova schrieb daher ein mehrbändiges Werk mit dem Titel „Meine Lebenserinnerungen“, in dem er konsequent die Leistungen seines Bruders gering schätzt oder gar ausblendet. Das tat er auch mit allen zeitgeschichtlichen oder kulturgeschichtlichen Ereignissen, deren Zeuge er wurde. Ihm waren in seinen Beschreibungen die langweiligen Schilderungen einer A-tergo-Kopulation mit einer veheirateten Frau in der Öffentlichkeit am Fenster seines Hauses wichtiger als die Hintergründe der von dort ausgeführten Exekution eines Attentäters durch Vierteilen bei lebendigem Leibe. Beschreibungen von Glücksspielen im Kasino hielt Casanova ebenso für wichtiger als die ausführliche Beschreibung kaufmännischer Überlegungen für ein trotz Kapitalismus funktionierendes Sozialsystem, welches für dezentralisierte Strukturen, zum Beispiel Kommunen, auch hier und heute noch eine attraktive und vor allem menschenwürdige Alternative zu Hartz Vier und Ämterschikanen darstellen könnte. In Wahrheit war Casanova oberflächlich gebildet und ein Blender und Angeber, der jeglicher Verantwortung aus dem Weg ging. Das Unbehagen über die 12 Bände von Casanovas Lebenserinnerungen legt sich erst, wenn man ein weiteres Buch über Casanova liest, nämlich das Buch „Die Brüder Casanova – Künstler und Abenteurer “ von Roland Kanz. Es erschien im Deutschen Kunstverlag. Eine Angabe des Erscheinungsjahres fehlt darin. Alles Andere ist vorhanden. Der Autor ergänzt sozusagen die Auslassungen, die Giacomo Casanova aus Scham oder Nichtwissen wegließ, aus rückblickender kulturhistorischer Bewertung. Er macht das sehr geschickt, und so gelang es ihm, die Biographien der Brüder Casanova zu beschreiben, ohne sozusagen „DEM Casanova“ „DEN Casanova zu erklären.

(Roland Kanz, „Die Brüder Casanova“, Deutscher Kunstverlag)

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