Artikel 20 GG oder Wehe dem Volk, das seine Rechte wörtlich nimmt

Quergedachtes

Artikel 20 Grundgesetz oder Wehe dem Volk, das seine Rechte wörtlich nimmt

Hannes Nagel

Donnerstag, 14. Oktober 2010

Artikel 20 Grundgesetz oder Wehe dem Volk, das seine Rechte wörtlich nimmt

Stuttgart bringt der Gesellschaft in Erinnerung, dass unter der beamteten Maske von Freund und Helfer eine brutale Fratze steckt. Freunde und Helfer sind immer nur Freunde und Helfer von Kapital, Besitz, Gewinn und Staatseinnahmen. Die Stuttgarter Prügelrabauken, vom Ministerpräsidenten ermuntert, schützen die Interessen eines Teiles der Gesellschaft und Verneinen jegliche Interessenberechtigung der anderen. Ein eventuelles Gemeinwohl wurde gar nicht erst erörtert. Dabei zeigen Demonstranten deutlich, dass sie die Verlegung des Bahnhofes ins Unterirdische für Unsinn halten. Was er wohl auch ist, wenn man sich vorstellt, dass das Ding nachher genauso beschissen aussieht wie der Berliner Hauptbahnhof.

Als kürzlich von einer Hartz-Vier-Erhöhung um schäbige fünf Euro die Rede war, sagte ein Fernfahrer an der Tankstelle: „Geschieht uns recht, wenn wir das mit uns machen lassen. Wir sind eben keine Franzosen. Die haben sogar erfolgreich „Non“ gesagt, als Sarkozy sie erst mit 67 in Rente schicken wollte“. Aber wir sind eben keine Franzosen. In Deutschland kann es sogar passieren, dass sich das Volk versammelt und die Revolution findet wegen schlechten Wetters nicht statt. So ähnlich ging mal eine freche Bemerkung von Kurt Tucholsky, die in Weimar von der Fassade eines Hauses grüßt. Im Original: „Wegen schlechten Wetters fand die Revolution in der Musik statt“. Insofern verdient der Widerstand von Stuttgart Respekt, Anerkennung, Beachtung, Förderung und Eingang ins zulässige Repertoire der gesellschaftlichen Meinungsäußerungsmittel gegenüber Politik und Wirtschaft. Denn auch Bundespräsident Christian Wulff sagte: Das Land ist unser aller Land. Und es gehört eben nicht nur der Bahn, sondern auch den Reisenden und den Bewohnern im Umkreis. Darum dürfen die Entscheidungen der Bahn über den Umbau eines ihr gehörenden Bahnhofes nicht gegen die Interessen der Gesellschaft verstoßen. Verwaltungsgerechtigkeit alleine reicht nicht, es geht um gerechte Verhältnisse für alle, denen das Land gehört. Wenn dem geltenden Recht eine Art Gemeinschaftsbesitz bekannt wäre, der nur veräußert oder umgestaltet werden darf, wenn jeder einzelne Mitbesitzer zustimmt, wäre es relativ einfach, gerechte Verhältnisse für alle durch gerechte Entscheidungen für alle herzustellen, und dann könnte die Polizei ihren Pfeffer für die nächste Grillparty benutzen, statt ihn zweckentfremdet in die Augen der Menschen zu sprühen, wohin die Politik im Allgemeinen bereits Sand gestreut hat. Ist Widerstand nur verbal erlaubt? Nein.

Artikel 20 GG:

Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat

Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus
Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt

Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung , die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.

Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.

Widerstand ist immer erlaubt. Sie dürfen die Hände schützend vor Ihr Gesicht halten, wenn die polizeilichen Prügelorgien über friedliche Demonstranten hinweg brausen. Aber sie dürfen nicht zurückschlagen. Notwehr gegen Prügelbullen kennt das Recht nicht. So bleibt nur passiver Widerstand. Im Wege stehen, wenn die Bagger kommen. Blümchen gießen, wenn sich Planierraupen nähern. Ghandi auf dem T-Shirt tragen wie früher Che Guevara.

(Mehr zum Thema kommende Woche in DAS  FLUGBLATT Nummer Neun)

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