Rezension: Geschichten aus dem Rohr

Hannes Nagel

Rezension Geschichten aus dem Rohr

Sonntag, 08 Januar 2012

Ventil für die Wut der Ohnmacht

Ich hatte vom BS-Verlag aus Rostock ein anderes Buch erwartet. Einen Krimi. Den hatte ich in Gedanken bereits vor-rezensiert. Ich wusste schon, wie ich den Text aufbauen wollte. Nur die Lektüre fehlte noch. Dann kam die Post und brachte das Päckchen. Der Krimi war nicht darin. Aber ein anderes Buch. Von einem Autor, der zwischen Manuskriptabgabe und Druckexemplar verstarb. An Krebs. Die Diagnose: Für den Autor ein Schock. Die unerwartete Information: Für den Rezensenten ein Schock.

„Geschichten aus dem Rohr“ heißt das Büchlein und hat noch einen Untertitel, damit sich keiner einer Illusion hingibt: „Das böse Buch“. Böse ist Sarkasmus. Es gibt Situationen, in denen man zur eigenen Erleichterung alles rauslassen darf, was einem einfällt, ohne Rücksicht darauf, ob die Ärzte, über deren Unfähigkeit man lästert, etwas dafür können oder nicht, das sie dem Patienten keine Heilung verschaffen können. Ärzte -püh, sagte mal jemand, das sind doch alles nur ehemalige Medizinstudenten. Und so ein Ex-Student schnippelt nun in einem fremden Körper rum, der unter Umständen 20 Jahre älter ist als der Körper des Studenten. Wem es gut geht, der kommt bestimmt nicht auf solche Gedanken.

„Das Rohr“ ist übrigens jener hellererleuchtete Sarg ohne Sicht auf Irgendwas, in den Patienten geschoben werden, damit der Tomograph Bilder seines Inneren anfertigt. Die Vorstellung, mit dem Kopf in etwas drin zu stecken und nicht einmal mehr seine Füße zu sehen – oder, fern dahinter, ein paar Leute mit Kittel, die durchs Bild huschen, macht rasend. Man will eigentlich nur noch raus. In so etwas dürften sie einen eigentlich nur schieben, wenn sie einen vorher in eine künstliche Leckmich-Stimmung versetzt haben. Man kann auch Apathie dazu sagen. 22 kleine Geschichten hat der Autor versammelt, die alle nur einem Zweck zu dienen scheinen: Dampf abzulassen, ein Ventil für die eigene Ohnmacht zu sein. Es ändert zwar nichts an der Gesundheit, aber man fühlt sich besser.

Der Autor dieses Buches heißt Peter Weißflog. Geboren 1953 in Freiberg, gestorben 2011.

Peter Weißflog, „Geschichten aus dem Rohr“, BS-Verlag, Rostock 2011, 95 Seiten, 8,50 Euro

 

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