Rezension: “Das Phantom”

Hannes Nagel

Rezension „Das Phantom“

Donnerstag, 23. Februar 2012

„Wer Kriminelles berichtet, will Krimis schreiben“

 Edgar Wallace war Journalist bei Reuters, langweilte sich und schrieb Krimis. Klaus Jäger ist Jornalist bei der Thüringer Allgemeinen in Apolda, langweilt sich nicht, schrieb aber einen Krimi. Horst Kriegs journalistischer Heimathafen hieß Ostseezeitung, und die Vermutung, auch er habe einen Krimi geschrieben, ist völlig richtig, und dieser Krimi heißt „Das Phantom“.

Einen Krimi denkt man sich entweder aus, oder man orientiert sich an der Realität. Wenn man sich an der Realität orientiert, tut man gut daran, dem Krimi den Absatz von der rein zufälligen Ähnlichkeit mit lebenden Personen oder realen Vorkommnissen voran zu stellen. „Handlung und Figuren des Romans sind frei erfunden; Ähnlichkeit mit Personen oder Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens wäre rein zufällig. Real sind aber die dargestellten Umstände, unter denen zweifelhafte Geschäfte gedeihen“. Darum denkt man bei realen kommunalkriminellen Politikgeschäften immer auch an die realen Personen und baut einer möglichen Klage wegen Verletzung des Persönlichkeitsrechtes vor, indem man kund tut, die getroffenen Hunde nicht gemeint zu haben.

In Horst Kriegs Roman heisst der Handlungsort Seestadt. Der Name der lokalen Zeitung wird nicht genannt. Ich schenke Herrn Krieg den Namen „Seetang-Merkur“ aus meinem eigenen kleinen Krimi „Vor aller Augen“, der bei weitem nicht so brilliant geworden ist wie Krieg seiner. Oder ist Seestädter Zeitung ein Eigenname statt ein Substantiv mit einem Attribut vorneweg? Kräftig teilt Krieg jedoch gegen die derzeitigen Beliebigkeitstrends im Journalismus aus: Anzeigenprostitution, PR-Lastigkeit und Rechercheverdruß. Übrigens habe ich selbst mich mal beim Seetang-Merkur beworben. Der Redaktionsleiter fragte, was ich kann und winkte ab, als ich stolz sagte: Recherchieren. „Das brauchen wir hier nicht“, meinte er. Insofern klingt alles, was Krieg über Zeitungsabläufe schreibt, trotz parodistisch klingender Überspitzung als grundplausibel. Und die harte Hand aus Bauunternehmer, Bankchef, Verwaltungsjurist und Chefredakteur der Zeitung kann man sich durchaus als würgende Hand an Oberbürgermeisters Stadtsäckel vorstellen. Da mache Du mal Kommunalpolitik, wenn Du eine gierige Oberkaufmannschaft im Nacken hast, deren private Interessen Du befriedigen musst, weil Du selbst ja auch nicht schlecht davon lebst.

„Das Phantom“ endet ähnlich wie „Vor aller Augen“ mit einem mutigen Schritt der mitwirkenden Journalisten. Bei Horst Krieg macht sich der idealistische, an Qualitätsjournalismus und Berufsethos glaubende Jungredakteur daran, ein verlagsunbahängiges Redaktionsbüro aufzubauen; in „Vor aller Augen“ fängt die geschasste Journalistin an, sich als Bloggerin um den sogenannten Graswurzeljournalismus verdient zu machen. Aber nur für Horst Kriegs Krimi gilt, dass er gut gemacht ist wie eine Lokalzeitung, bei der die Leser merken, dass es sie etwas angeht, was im Blatte steht. Das wiederum ist ein großes Kompliment. Und erklärt vielleicht auch die Überschrift: Wer Kriminelles berichtet, will Krimis schreiben.

Horst Krieg, „Das Phantom“, BS-Verlag, Rostock 2012

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