Rezension: “Seelenfeuer”

 Hannes Nagel

Rezension „Seelenfeuer“

Donnerstag, 15. März 2012

„Rote Haare, schwarze Katze, gelbe Flammen“

 Die Hauptperson in “Seelenfeuer” hat rote Haare und eine kleine schwarze Katze. Sie kennt sich mit Pflanzen und ihren pharmazeutischen Wirkungen und Einsatzmöglichkeiten aus. Außerdem ist sie Hebamme. Weil aber das Jahr der Handlung auf 1483 festgelegt ist, erwartet man von Seite zu Seite auch noch gelbe Flammen. Von denen ist aber zunächst nichts zu lesen. Trügerisch ruhig ist es zwischen den Sätzen. Viel eher hat man den Eindruck, ein Pflanzenbestimmungsbuch zu lesen, welches als Dialog von zwei Botanikern gestaltet ist. Einer nennt den lateinischen Namen und der andere gibt die Antwort: Deutschsprachiger Name, Gattung, Art, Familie, Verwendungszweck. Wenn man nicht ständig gelbe Flammen erwarten würde, könnte man sich konzentrieren und aus den Gesprächen zweier fiktiver literarischer Figuren lernen, was Kräuter zum Heilen und Kräuter zum Würzen kennzeichnet. Nur Zeichnungen dazu fehlen. Dann wäre es perfekt.

Aber das Buch soll ja ein historischer Roman sein, und Geschichte handelt meistens im Mittelalter, und da brennen Scheiterhaufen, weil Frauen mit roten Haaren und schwarzen Katzen als Hexen verbrannt wurden. Obwohl es doch viel zu wenig Frauen gab.

Historische Romane erzählen im Allgemeinen immer eine Geschichte, die im Zusammenhang mit einem historischen Ereignis so stattgefunden haben könnte. Die Fiktion erklärt dann das Wesentliche des Ereignisses, welches in einer wissenschaftlichen Abhandlung von Historikern naturgemäß einem anderen Stil folgt. Darum sind historische Romane im Allgemeinen lehrreich. Bei „Seelenfeuer“ merkt man gar nicht, welches konkrete historische Ereignis gemeint ist. „Die Bernsteinhexe“ im Vergleich behandelt das konkrete Schicksal einer wirklichen Frau aus einem tatsächlichen Fall. In „Seelenfeuer“ ist entweder kein Tatsachengehalt vorhanden, oder er ist weitab vom Feuer versteckt. Darum macht mich das Buch nicht heiß. Auch als Sittengemälde ist es zu lasch, und wenn die personen sich unterhalten, so nerkt man den Dialogen an, dass sie eigentlich nicht der Handlung dienen, sondern eine versteckte Erklärung der Autorin an die Leser ist, weil sie vergessen hat, den Lesern etwas Wichtiges mitzuteilen, damit sie dem Geschehen folgen können. Wenn aber die Aussageabsicht war, das im Mittelalter vorhandene Wissen über Kräuter darzustellen, und wie es weitergegeben wurde, und dass Klöstergärten untereinander Pflanzen tauschten, so dass sich Arten verbreiten konnten, weil der eien seine seltenen Pflanzen einem Garten fünf Tagesmärsche entfernt übergab, dann wäre es ein lesenswerter historischer Roman geworden. So aber hängen mir beim Lesen die Mundwinkel herunter, als wäre ich Bundeskanzlerin.

PS: Ich gebe zu, die letzten 300 Seiten des 479 nur noch kursorisch gelesen zu haben.

Cornelia Haller, „Seelenfeuer“, Hofmann und Campe, Hamburg 2012

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