Ruckts rechts?

Hannes Nagel

Das Flugblatt

Apropo Rechtsruck

Das Geld ist rechts, und rechts ruckts. Denn Geld kennt keine Emotionen. Es erhebt die Unterdrückung von Gefühlsduselei zur Tugend, und es beginnt mit der Unterdrückung, indem es menschliche Regungen als Gefühlsduselei bezeichnet.

 Auf „Spiegel Online“ schrieb Jakob Augstein kürzlich, „Europa ist Weimar“. Er zog eine Parallele von Deutschland – Weimarer Republik – ungeliebte Demokratie – Hitlers Diktatur zu Europa – große Krise – Griechenland – Chile, Allende, Pinochet. Große Gefahr: Wenn sich Europa nicht aus der Verhedderung in den Fallstricken der Finanzmärkte löst, dann kann es ein böses militärwirtschaftliches Erwachen in der Staatengemeinschaft Europa geben, die ihren Namen aus der griechischen Mythologie hat.

Entstehung von Europa und das Ende von Europa? Und beides ginge vom gleichen Land aus, nämlich Griechenland? „Die demokratische Linke fürchtet einen Rechtsruck“, meldete Spiegel Online am 19. Juni aus Athen. Auffällig war nur: Es ging gar nicht um rechts oder links, sondern um den Euro. Soll der Euro Währung bleiben oder soll Griechenland künftig mit Sonnenblumenkernen zahlen? Eine solche Entscheidung trifft man nicht, ohne die verschiedenen Gemüter eines Volkes in Wallung zu bringen. (In Deutschland würde nichts wallen. Da wallt nur die Lockenpracht von Thomas Gottschalk). Wenn also finanzpolitische Entscheidungen mit dem Wohl der Gemüter und derSorge um die Menschen begründet werden, und wenn einerseits Furcht vor einem europäischen Bürgerkrieg herrscht, andererseits aber die Stabilität der Lage trotz der stürmischen Krise beschworen wird, dann ist das Schiff in Seenot.

Rechts und Links sind in der Politik keine eindeutigen Begriffe mehr. Denn sie werden immer in Bezug auf eine von den durch rechts und links repräsentierten Richtungen ausgehende Gefahr angewandt. Politik scheint ganz und gar gefährlich zu sein. Rechts droht alles, was man unter Faschismus, Diktatur, Pinochet, Militär, Ausnahmezustand und Notverordnung zusammenfasst, Links droht vergleichsweise harmlos nur alles, was man unter Anarchie zusammenfasst. Auch die Banken spielen „Verkehrte Welt“. Sie inszenieren sich als Warner vor dem „Bösen Erwachen“, und ihre Warnungen gehen teils an die Politik und in einer stimmungserzeugenden Version an die Öffentlichkeit. Gut und Böse spielen in ständigem Rollenwechsel Hulletrulle mit den Bürgern ihrer Länder. (Hulletrulle ist so etwas wie Ringelpiez mit Anfassen.)

Mit journalistischen Fragen und sozialwissenschaftlicher Forschung scheint hier keiner mehr voran zu kommen. Denn brisante Fragen werden gekonnt abgeschmettert. Die Befragten sind nämlich meistens darin geschult, wie man Journalistenfragen unterlaufen kann. Notfalls sorgt das Presserecht dafür, dass die Vermutungsfreiheit mit einem nicht eingehbaren finanziellen und existenziellen Risiko verbunden ist. Versuchen wir es trotzdem:

Der Kapitalismus würgt und kotzt, weil er sich an seiner eigenen Gier überfressen hat. Die Demokratie ist das ungeliebte Stiefkind der hemmungslosen Marktwirtschaft, deren Welt der Profit ist und sonst gar nichts. Alles weitere ist Bandenkrieg zwischen Räubern. Was geht das uns eigentlich an? Und was erlauben sich DIE, uns in ihre Fehden hinein zu ziehen?

Die Fehde heißt Rettungsschirm für den Euro, Stützung von Staaten und Banken, also quasi Bankstaaten, heißt Schutzwälle gegen Flüchtlinge bauen, heißt Hochrüstung von Polizei mit militärischen Mitteln.

Vielleicht muß man Griechenland und andere gerade deshalb stützen, weil der große europäische Bürgerkrieg beim Zerfall der europäischen Union zur Zeit zu früh käme.

Alle Regierungen bereiten im Auftrag ihrer Wirtschaft die Länder auf den kommenden Krieg vor. Sie werden das Morden wollen, weil sie die verbliebenen Ressourcen und die noch nicht ökologisch zerstörten Lebensräume für sich haben wollen.

PS: Man kann Politik auch mit Gefühlen machen

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