Wenn Fallmanager aufstocken müssten

 Baron von Feder

Sonntag, 08. Juli 2012

Wenn Fallmanager aufstocken müssten

 Heute wollen wir die Krise spekulativ fortdenken (leider nicht im Sinne von weg-denken). Wir spinnen mal: Beschäftigte der Arge sind ja nicht alle Beamte. Sie sind Angestellte im Öffentlichen Dienst. Wenn deren Tariflohn nun nicht mehr reicht und sie Aufstocken müssen? Was dann?

Wenn zum Beispiel Fallmanager Aufstocker wären, dann müssten sie zwei Treppen runter zur Anmeldung laufen und einen Antrag auf ALG II ausfüllen. Der Arbeitgeber müsste eine Verdienstbescheinigung ausstellen, die dann in der Leistungsabteilung zur Berechnung der zustehenden Aufstockung herangezogen wird. Um die Bescheinigung beizubringen, wird eine Frist gesetzt, die die Fallmanager dann ihrem Chef setzen müssten. (eine Treppe höher) Setzen Sie mal Ihrem Chef ein Frist. Dann geht es es bald nicht mehr nur ums Aufstocken, sondern gleich um den Regelsatz, bei welchem Sie am Arsch sind.

Wenn die Bearbeiter die ihnen gesetzte Frist nicht einhalten können, weil ihr Chef die ihm gesetzte Frist nicht einhält, verstoßen die Bearbeiter gegen ihre Mitwirkungspflicht. Die Leistungsabteilung macht auf diesen Verstoß in der ihr gemäßen Form aufmerksam. Für die Antragsteller bedeutet das Sanktion, also 30 Prozent Leistungskürzung. 30 Prozent sind etwa ein Drittel. Dann würden die Fallmanager erfahren, was es bedeutet, einem Antragsteller das Existenzminimum noch einmal zu senken. Hunger. Am Montag essen sie wenig, am Dienstag essen sie nichts. Am Mittwoch darben sie, am Donnerstag leiden sie Not.

Zusätzlich müssten die Bearbeiter ihre Kunden in der bisher gewohnt menschenfreundlichen, höflichen und zuvorkommenden Art bedienen. Okay, das war jetzt ein Witz. Sozusagen die Soll-Lach-Stelle dieses Beitrages. Bitte lesen Sie weiter, wenn Sie fertig sind mit dem Lachen.

Die Selbsterfahrung würde entweder dazu führen, dass die Bearbeiter wissen, was sie ihren Opfern zumuten und sie fürderhin etwas menschlicher behandeln. Oder sie würden privilegierte Gefangene eines unmenschlichen Systems werden und ihre Macht nun erst recht an den Schwachen auslassen. Aus Fallmanagern würden Arge-Kapos werden.

Kapo: Kurzform von frz. Kaporal: Hauptmann, Anführer, Korporal. Auch Bezeichnung für Unteroffizier. In Straflagern Bezeichnung für Gefangene, die als Aufseher über andere Gefangene eingesetzt sind. Selten ist auch noch die Verwendung von Kapo für Vorabeiter in Gebrauch.

(Nach Duden, Deutsches Universalwörterbuch von A – Z)

Kapos sind bedauernswerte Leute. Sie bekommen Druck von Oben, den sie nach Unten weitergeben müssen, und stoßen auf Widerstand von Unten, der sie unfroh werden lässt. Die Folge: Sie werden Sadisten und Menschenschinder, um ihr eigenes Leid besser zu ertragen.

Der reale Auslöser dieser Spekulation war ein Zeitungsbeitrag über Sozialarbeiter und Pädagogen, deren Entlohnung durch Halbtagsstellen und andere Prekärtheiten spürbar gesunken sein sollen, obwohl formal alles nach Tarif läuft. Deshalb müssen sie aufstocken.

Der Aufstockungstrend ist eine nicht aufhaltbare Entwicklung. Der Übergriff des Trends auf seine Erschaffer und Verursacher (also Politik und amtliche Handlanger) wäre lediglich die Konsequenz der Vollendung des Trends. Weder Trend noch Vollendung sind wünschenswert.

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