Verdient hätte ihn Bradley Manning

„Die Preis-Farce”

Verdient hätte ihn Bradley Manning.

Am 12. Oktober vergab das Nobel-Komitee den Friedensnobelpreis an die Europäische Union. Einen Tag zuvor konnte man auf der Webseite der Süddeutschen Zeitung darüber abstimmen, wen der Preis zuerkannt gehöre. 44 Prozent entfielen auf Bradley Manning, dem mutigsten Soldaten seit Josef Schweyk.

Helmut Kohl, Bill Clinton und Julia Timoschenko standen auch auf der süddeutschen Kandiatenliste. Die EU jedoch nicht. Das kann viele Gründe haben, die von der Süddeutschen leider nicht zu erfahren waren. Und nachdem das Ergebnis bekannt war, war die Nachfrage überflüssig. Denn es gab neue Fragen. Wieso EU? Wieso bekommt ein Staatenbund einen Nobelpreis für den Frieden? Vor dem Jahr 2012 hätte man „Ja” dazu sagen können. Also ungefähr bis 1990. Es stimmt, dass die Idee eines geeinten Europas theoretisch eine Friedensidee hätte sein können. Im Jahre 2012 spricht nichts dafür. Die Mitgliedsländer stecken in einer selbst verursachten Schuldenfalle. Sie steckten schon lange darin, aber auf einmal ist Eile geboten, weil die Falle die Gefangenen zu erdrosseln droht. Panik macht sich breit, und die Furcht vor einem möglichen europäischen Bürgerkrieg macht sich sogar auch in etablierten Medien breit. In Europa werden Polizeien mit militärischen Mitteln aufgerüstet, die Außengrenzen werden gegen Flüchtlinge gesichert, die herein wollen, wie die Außengrenzen der DDR gegen Flüchtlinge, die hinaus wollten, und die Beschissenen aller EU-Länder kochen vor Wut, zum Beispiel in Spanien und Griechenland. Was hat die Militarisierung der Europäischen Union mit einer herausragenden Leistung für den Frieden zu tun? Soll der Preis in letzter Sekunde Europa zum Frieden verpflichten, statt wie Jugoslawien in blutiges Bürgerkriegsgemetzel zu verfallen – und dann zu zerfallen? Oder ist es wirklich bloß eine Farce, um den Preis nicht an Wikileaks, Bradley Manning und Julian Assange zu geben? Falls es überhaupt eine bewundernswerte militärische Leistung gibt, dann ist es die Veröffentlichung von Dokumenten über die Straftaten im Auftrag von kriegsführenden Staaten. Die Störung von Vertuschungsbemühungen durch eine möglichst breite öffentliche Transparenz ist eine recht neue friedenspolitische und sicherheitspolitische Aktionsform. Sie muß weiter entwickelt werden und darf sich von der amerikanischen Justiz nicht die Köpfe zertreten lassen.

Die offzielle Übergabe des Preise soll am 10. Dezember 2012 sein. Auf Facebook formiert sich bereits murrendes Gegrummel gegen die Preisverleihung. Titel: „Ich nehme den Preis nicht an”.

 

 

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