REZENSION: Brecht und die DDR

REZENSION

Rezension „Brecht und die DDR“

„Die hehre Theorie und die Tücken im Detail“

Werner Hecht hat im Aufbau-Verlag Berlin ein Buch über Bertolt Brecht veröffentlicht. Das Buch ist eine Überraschung. Denn im Grunde genommen scheint über Brecht schon alles geschrieben worden zu sein. Nur nicht der Satz, dass die heutige Zeit nach einem brechtigen Schlitzohr ruft, welches weit und breit nicht zu finden ist. Das Buch heißt „Brecht und die DDR“. Was tut das Buch? Räumt es mit Vorurteilen auf? Polemisiert es wie ein Verteidiger vor Gericht gegen die Prädikate „Arbeiterdichter“ oder „sozialistischer Realist“? Nein. Das Buch räumt nicht auf. Es lässt alle bisherigen Abhandlungen und Meinungsurteile über Bertolt Brecht in den Schubläden, wohin hinein sie gesteckt wurden. Aber es zeigt die Vielfalt der Schubläden, die über Bertolt Brecht angelegt wurden. Im Schubfach „unbequeme Autoren“ ist Brecht ebenso zu finden wie im Schubfach „angepasste Autoren“. Werner Hecht hat sich mit diesen beiden Schubfächern befasst. Er hat dabei keine unbekannten sensationellen Fakten ausgegraben, sondern nur einmal nachgelesen, was bisher bei der Materialsuche in Archiven nicht beachtet wurde. Es handelt sich um Protokolle. Protokolle, die Hecht wie Bühnenstücke abgedruckt hat. Das wirkt großartig. Protokolle über Besprechungen einer Bühneninszenierung – zum Beispiel „Das Verhör des Lukullus“ – in einer Form darzustellen, die selbst schon für sich großes Theater ist, ist ganz große Klasse. Das ist einEinfall, der zum Weiterdenken einlädt und also Leser bewegt. Man muss sich nur einmal vorstellen, dass alle Besprechungen über einen Menschen oder sein Handeln nichts weiter ist als Theater.  Rechtsstreitigkeiten vor dem Arbeitsgericht – Theater. Tratsch im Treppenhaus – Theater. Pädagogische Maßnahmen im Kindergarten und in der Schule – Theater.  Sie mochten Brecht in der DDR nicht, weil er Selbstdenker war. Ihm, seiner Frau Helene Weigel und dem gemeinsamen Theater machten sie mit viel Theater das Leben schwierig. Die inszenierten politischen Schwierigkeiten in der Kulturpolitik nannte Brecht in dem Gedicht „Wahrnehmung“ die Mühen der Ebenen: Überall kleinkarierte Stolperknüppel, die den Weg der Füße beschwerlich machten.

(Werner Hecht, „Brecht und die DDR“, Aufbau-Verlag, Berlin 2014)

Dieser Beitrag wurde unter Feuilleton-Rezension veröffentlicht. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.