REZENSION: “Die Inselkrähe von Mirow”

REZENSION

Rezension „Die Inselkrähe von Mirow“

Helene Musfedder

„Preußische Intrige in mecklenburgischem Idyll“

Im September kam ein neuer Ostseekrimi heraus. Mein Chef kam auf mich zu und ssagte: „Na, Dienstreise gefällig?“. „Wieso?“, fragte ich. „Neuer Ostseekrimi ist da. Verfasser heißt Frank Pergande. Liest in Mirow im Schloss. Fahr hin und bring einen schönen Rezensionstext mit.“. Der Chef drückte mir noch einen Briefumschlag in die Hand, sagte grinsend, dass da Spesen drin wären, ich dankte und plante die Fahrt nach Mirow. Also das Schloss haben sie ja wunderschön rekonstruiert, auch wenn sie stellenweise noch nicht ganz fertig sind. Ich nahm schon mal mein Rezensionsexemplar und ließ den Ort und das Buch auf mich wirken. Die vom Schloss hatten mir gestattet, mich schon mal umzusehen. Ich stand also im Festsaal, wo nachher die Lesung beginnen sollte, und schaute hinüber zum Kavaliershaus. Am Fenster stehend schlug ich das Buch auf und begann zu lesen. „Dem Schloss gegenüber erhebt sich das Kavaliersgebäude, das Ihr vielleicht noch gar nicht kennt. Es ist kürzlich erst fertig geworden, und sein Prunkstück ist eine formidable Küche. Zwischen beiden Gebäuden erstreckt sich ein Rondell“. Als nachher der Autor mit der Lesung begann, hörte ich, wie der Text klingt, wenn der Autor selbst ihn zu Gehör bringt.

cover und autor inselkrähe

Die Lesung im Schloss lies mich schmunzeln. Erstens fühlte ich mich „zu Hause“, zweitens sagte mir der mit leichten Lustfäden gewebte Witz des Buches zu, und drittens hatte der Festsaal des Schlosses ein wunderschönes Aussehen, welches den Makel unfertiger Akustik verdrängte. Nach einer Stunde etwa war Frank Pergande mit der Lesung fertig, ich schlich mich in die „Herberge zur Heimat“ zurück, und las. Las den ganzen Krimi in einer Nacht durch. Noch nie hatte ich bei einem Ostseekrimi die Lust verspürt, einfach mal mitzurätseln, wer der Täter sein könnte. Hier war der Wunsch wieder präsent, wie früher, als ich bei meiner Tante aus Crimmitschau Kriminalhörspiele zum mitraten im Radio hören durfte. Ich war seelig. Besonders beglückte es mich, dass meine Vermutung richtig war. Sie war deshalb richtig, weil mich die Konstellation an einen Krimi von Agatha Christie erinnerte. ich nenne jetzt aber nicht den Titel. Außerdem gibt der Autor am Ende selbst bekannt, dass er sich bei diversen Krimiautoren bedient hat. Agatha Christie ist also nicht die Einzige. Chandler, Simeon, sogar olle Schiller und und die beiden sozialkritischen Schweden der 70er, 80er Jahre kommen drin vor – die hab ich aber nicht erkannt. Besonders Schillern nicht. Hier findet eine preußische Intrige im mecklenburgischen Idyll statt. Und es ist auf jeden Fall von langer Hand geplanter preußischer Verrat am Hofe von Adolf Friedrich dem IV von Mecklenburg-Strelitz. Nicht zu verwechseln mit Mecklenburg-Schwerin. Schweriner Herrschaft taugt nie was, sieht man ja heute noch. Neustrelitz aber! Ha. Ein wenig geistert eine solche Stimmung durchs Lokalkolorit. Die Inselkrähe ist der dritte Geschichts-Ostseekrimi. Zuvor ließ nur Emma Wittenstein ihre Krimis im greifswaldischen Mittelalter spielen. Hier nun ist das Jahr 1761 etwa dran.

(Frank Pergande, „Die Inselkrähe von Mirow“, Hinstorff-Verlag, Rostock 2014)

Dieser Beitrag wurde unter Feuilleton-Rezension veröffentlicht. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.