REZENSION: Des Henkers Knecht

Rezension „Des Henkers Knecht“

„Mittelalter und Neuzeit liegen nur ein Stück weit um die Ecke“

(von Helene Musfedder)

 „Stralsund gehört im Norden zu den Städten, wo man zwischen Stadtmauer, Knieper Tor, altem und neuen Mark, Ossenreyerstraße, Heilgeistkloster und Sankt Marienkirche die Geschichte wie unvergessene Erinnerung fühlt.“ Hat mein Freund gesagt, als ich verzagt nach einem Einstieg in die Rezension von Katrin Hofmanns Stralsund-Mittelalter-Krimi „Des Henkers Knecht“ suchte. Mein Freund war mächtig stolz auf seine Geistesleistung, aber ich war nicht überzeugt davon. Das sagte ich ihm auch in aller Deutlichkeit: „Freund, ich bin nicht überzeugt“, sagte ich. Schnell war ich etwas nett zu ihm, sonst hätte er mir eine Privatvorlesung über hanseatische Geschichte gehalten, und ich möchte mich doch lieber der Geschichte einer Stadt so nähern, als ob ich mir von Mauern, Kirchen, Denkmälern und Gassen von der Stadt selber Geschichten erzählen lasse. Als Kind war ich mal im Kulturhistorischen Museum von Stralsund. Dachte ich, gehste mal eben hin und fühlst nach, ob Dir die Ausstellungstücke immer noch was zu erzählen haben. Sie hatten, aber es war nur noch Jahrmarkt statt Besichtigungsarchiv. Statt dessen stellt ich mir vor, dass in den Säulen des Rathauses einer eingemauert wurde, dessen Seele immer seufzt, wenn kalte böige Winde durch die Gassen der Stadt pfeifen – und das noch heute, denn Seelen sind ja unsterblich. Mit so einer Mittelaltervorstellung konnte ich mich dem Buch ein Stück weit nähern. „Miau“, sagte meine kleine schwarze Katze, die immer dabei sein möchte, wenn ich Mittelalterkrimis rezensiere. Die Katze nimmt ihre Aufgabe sehr ernst. Sie legt ihr rechtes Pfötchen immer auf die Buchseiten, wenn ich ihrer Ansicht nach zu schnell umblättern will. Dabei schnurrt sie behaglich. Im Grunde geht es in „Des Henkers Knecht“ darum, dass eine Mutter und ihre Tochter im Kerker sind, weil das uneheliche Kind der Tochter erdrosselt wurde. Der Vater war ein Doppelbold: Trunkenbold und Raufbold. Das der Drossler der Fronvogt war, kann man glaub ich ruhig verraten. Weil der Doppelbold Sohn eines stinkreichen Kaufmanns und Neffe eines einflussreichen Ratsherren war, wär ihm beinah keiner auf die Schliche gekommen – nur eben der Knecht des Fronvogts ist gleich Henker und Liebhaber der der klügsten Hure der Stadt. Insoweit hat der Stralsundkrimi von der Konstellation her auch Ähnlichkeit mit dem etwa zeitgleich handelnden Greifswald-Krimi „Aufruhr am Ryck“ von Emma Wittgenstein. Katrin Hofmanns Krimihandlung ist sauber gestrickt, wird ab und zu mit einer Prise heutigen Humors gewürzt und am Ende meint man, dass die stets hölzern bleiben wollenden Dialoge in ihrer Hölzernheit auch eine Funktion haben. „Weißte was“, erschrickt mich plötzlich die Stimme meines Freundes, dessen eintritt ins Zimmer ich gar nicht bemerkt habe, „vergleich ma die beiden Krimifrauen mit Mittelalterbüchern von Herbert Mühlstädt“. „Wer is das denn“, fragte ich zurück. „Der war Kinder-und Jugendbuchautor in der DDR und hat auch über Mittelalter geschrieben. Seltsam: Ohne abgehackte Hände, Köpfe oder verbrannte Menschen nebst vorheriger Folter geht der Mittelaltergrusel wohl nicht. Als gäbe es heute noch Lust am Hexenzauber“. Die Katze, die sich während der Rede meines Freundes merkwürdig anspannte, sagte nun sehr laut „Grrrr“, schoss fauchend, aber mit erhobenen Schwanz und gesträubtem Rücken aus der Zimmertür und und war nicht mehr zum Reinkommen zu bewegen. „Was hat sie denn?“, fragte mein Freund. „Ach“, sagte ich, „das mit dem Mittelaltergrusel hat sie wohl falsch verstanden“.

(Katrin Hofmann, „Des Henkers Knecht. Ein historischer Stralsunfkrimi“, Strandläufer-Verlag, Stralsund 2014, 12,90 Euro. Isbn:978-3-941093-16-4)

Dieser Beitrag wurde unter Feuilleton-Rezension abgelegt und mit , , verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.