APROPOSIA: Von wegen und Frieden

APROPOSIA

 Am Ukrainischen Kriegstheater in Minsk fand am 12. Februar das nach jedem Krieg übliche Stück „Wege zum Frieden“ statt. Wie fast immer finden solche Inszenierungen als Gastspiel der Akteure auf einer nichtbeteiligten Bühne statt. Alexander Lukaschenko, der Intendant des Weißrussischen Politiktheaters, stellte seine Heimatbühne zur Verfügung, Wladimir Putin gab den Bösen, Petro Pornoschenko das schmierige Opfer, die Sehr Kluge Frau gab die Sehr kluge Frau, und der Franzose den Gockel, dessen Wichtigkeit schon aus der Tönung des Gefieders strahlt. Beinahe hätte all der Glanz von Namen und Bedeutungen die tragende Rolle des Medienchores übertönt. Was heißt Chor? Viele Chöre- eine Würdigung der Vereinten Claqueure von SZ, FAZ, Tagesspiegel und N-TV (als Solisten)

 

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 Von wegen und Frieden

Moderatorin: „Guten Abend, Erlauchte Runde, ich hatte heute meinen Oheim gefragt, der ist Gärtner und kennt sich insofern mit Wildwuchs und floraler Harmonie aus. Außerdem ist er Poet, der Oheim, und der hat gesagt, Ihr alle habt bloss deshalb ein abstruses Abkommen unterschrieben, weil Ihr selbst nicht mehr wusstet, worum es geht. Ihr wart einfach zu müde und konntet nicht mehr. Das verstehen Sie nicht, Sehr Kluge Frau. Darum frage ich jetzt Sie zuerst, wie Sie die Nacht von Minsk erlebt haben.“

Sehr kluge Frau: „Wir haben viel erreicht. Aber wir hätten mehr erreichen können, wenn wir auch das erreicht hätten, was wir nicht erreicht haben. Der Frieden ist sicher, wenn sich alle dran halten, der Krieg kann aber auch weiter gehen. In der Abwägung kann ich sagen, dass das, was wir jetzt erreicht haben, deutlich mehr Hoffnung gibt, als wenn wir nichts erreicht hätten.“

Zwischenrufer: „Das ist so ein Satz wie der hier: Man kann nicht sagen, die Kernkraftwerke sind sicher. Sie sind sicher.“

Sehr kluge Frau: „Was pöbeln Sie eigentlich hier rum? Wir sichern unseren Weltfrieden und Sie sagen nicht mal danke?“

Unker: „Wer Euch via Fernsehen zugeschaut hat in Minsk, der kann doch nicht auch noch danke zu Euch sagen. Was hat denn der Pornoschenk Ihnen mit seiner obszönen Händegestik gesagt?“

Sehr kluge Frau: „Wovon reden Sie eigentlich?“

Unker: „Von einem Foto. Ich hab es gesehen. In einer Zeitung.“

Moderatorin: „In der Nacht von Minsk sind die Aktiven dem geplanten Krieg ein Stück entgegen gegangen. Selbst der deutsche Außenminister (Anm.: „Steinmeier“ heißt er) bekannte kürzlich, es falle ihm schwer, in dieser Lage noch durchzusehen.“

Unker: „Bismarck soll ja auch spaßeshalber mal seine eigenen Verträge nach Jahrzehnten noch mal angesehen haben und bekannte, er verstünde gar nicht, worum es darin geht.“

Zwischenrufer: „Echt, so was is von Bismarck?“

Unker: „Ja, hab ich selbst gelesen.“

Dr. Liberalitas: „Ob Sie das gelesen haben oder nicht spielt keine Rolle. Es kommt immer darauf an, WER das, was Sie lesen, WOHIN geschrieben hat. Es besteht ein Unterschied zwischen dem Grundgesetz und einem hingekritzelten Spruch an einer Kneipenklotür.“

Unker: „Ja, Dr. Liberalitas, da hab ich mal einen gelesen, der ging so: „Mein Zweifel lässt sich schlecht verhehlen / Ich seh so viele Prallelen / Ich hab geprüft, gesucht und sah: / Es war alles schon mal da.“

Moderatorin: „Und nun kommt eben alles mal wieder: Der Krieg, der Faschismus, das Unrecht, die Armut, die Krankheiten – eigentlich hat das neoliberale Handeln eine perfekte Konterrevolution zustande gebracht und die mühsam erworbenen sozialen Errungenschaften mit Stiefeln zertreten.“

Zwischenrufer: „Und die die Stiefel tragen, sind Stinkstiefel.“

Erlauchte Runde: (Schaut betreten vor sich hin)

Petro Pornoschenko: (reisst die Tür auf, ruft: „Russlands Krieg gegen die Ukraine ist ein globaler Krieg“ (knallt die Tür wieder zu)

Moderatorin: „Da haben wir auch schon die neue Sprachregelung. Dritter Weltkrieg wäre auch eine zu deutliche Kontinuität zu seinen Vorgängern. Vielleicht sollten wir dann wenigstens vom Ersten Globalkrieg 1914 bis 18 sprechen, den alle wollten, nachdem Kaiser Wilhelm als Alleinkriegsschuldiger von vorn herein auf seine Rolle gebucht war, wie eben Putin im Dritten Globalkrieg. Über die Schuldfrage des Zweiten Globalkrieges gibt es ja keine Zweifel. Und kein Krieg hat Demokratien zu so fleißigen Studenten des Faschismus gemacht.“

 (Aus den Arien der Claquöre (Auftritt 12. Februar 2015)

SZ: „Keine Garantie für den Frieden – aber ein guter Anfang“

(Wie lange soll eigentlich der Waffenstillstand dauern? Bis alle ausgeschlafen haben?)

N-TV: „Der erste Schritt zu einer neuen Ordnung“

(Solches hätten böse Zungen auch über das Münchner Abkommen von 1938 sagen können. Ist der Krimkrieg der Probelauf dafür, die finanzmärkte direkt als Eroberungsarmeen aufzustellen?)

FAZ: „Die Formeln von Minsk“

(Lobhudelei für Merkel: „Sie hat alles Politikermögliche getan“. Ausserdem wir die Ukraine als Manövergebiet bezeichnet, aber nur für die Russen, nicht für die EU und die vereinigte Kapitalmacht, die den Status ukrainischer Sonderzonen diktieren will. Kommentar Gerhart Hauptmann: „Nu jaa nu nee nee“)

Tagesspiegel: „Mit vollem Risiko“

(Merkel wird als Weltpädagogin bezeichnet. Kindergärtnerin träfe es besser. Der Ukrainekrieg wird als Probekrieg für den großen Krieg bezeichnet, den das Vereinigte Finanzkapital plant)

 

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