REZENSION: “Kontrollierte Feindschaft”

Rezension „Kontrollierte Feindschaft“

„Vor Angst schlaflos“

 Der ganze Armeedienst in der NVA hätte so einfach sein können, wenn die Angst der Fähnriche, Offiziere, Generale und Admirale das Fussvolk nicht zu beständiger Wachsamkeit und Bereitschaft gezwungen hätte. Dabei kam ja nie jemand. Für die Oberen Führungsebenen lauerte der BBKF hinter jedem Strauch. Dabei war da meist keiner. Nicht mal ein drückendes Hundchen. Das Fußvolk sah die Sache pragmatisch. Überwiegend dachte es, wenn der BBKF kommt, würde man sich schon irgendwie ohne militärisches Morden und entschiedene Abfuhren einigen können. Wie schon ein blöder Witz sagt: „Leute, da drüben steht der Gegner. Es geht Mann gegen Mann“. Bittet einer: „Herr Leutnant, wer von den vielen Männern ist meiner? Ich würd mich vielleicht auch gütlich mit ihm einigen.“ Die Führungsebenen waren vor Angst schlaflos, weil sie der NATO als Gegner Aggressionen im Sinne faschistischer Traditionen unterstellten. Vor nichts hatte der Sozialismus, den Personen führten, die zum großen Teil aus dem antifaschistischen Kampf stammten, mehr Angst, als vor der Rückkehr der faschistischen Fratzen, gegen die sie einst kämpften. Und diese Fratzen sahen sie in der NATO, in der westdeutschen Anschlussbeschäftigung führender Nazis in Militär und Politik und jedem Akt der Hochrüstung. So steht es in dem Buch „Kontrollierte Feinschaft“. (Guntram König, Rudolf Patzer, „Kontrollierte Feindschaft. Manöverbeobachtungen und Inspektionen 1987 bis 1990, Helios-Verlag, Aachen 2011) Der Oberflottenleiter der DDR-Volksmarine, Admiral Theodor Hoffmann, beschreibt darin die gegenseitige Irreführung über die Bedrohungspotentiale, besonders die an der „sensiblen Trennlinie zwischen NATO und WARSCHAUER VERTRAG:“ Das Buch beschreibt detailliert aus der Generalsperspektive, wie Manöveraufgaben und deren Beobachtung vor den Augen der NATO organisiert waren. Wenn man selbst als niedriger Dienstgrad einmal miterlebt hat, wie eine Manöverbeobachtung durch NATO-Offiziere ablief und selbst ausgewählt und instruiert wurde, wie Fragen der NATO zu beantworten seien, kann man bestätigen, dass das Buch in jeglicher Hinsicht präzis ist. Es gelingt aber nicht, irgendeine wirklich abgelaufene Situation aus der Sich der kleinen Leute zu identifizieren, zum Beispiel einen rätselhaften Schießunfall zwischen Panzer und Kampfhubschrauber auf dem Truppenübungsplatz Wittstock („Wittstocker Acker“). Die Fotos selbst bringen jedoch die Erinnerungen an die mörderische Hitze zurück, die bei NVA-Manövern herrschte, und werfen die Frage auf, wieso Manöver immer im Sommer stattfanden? Bloß damit die Herren Offiziere sich nicht den Arsch abfrieren? Soviel Rücksichtnahme genoss das Fußvolk nie. Es war auch der WARSCHAUER VERTRAG zur Beobachtung in der NATO unterwegs, aber wenn man nicht zum NATO-Fußvolk gehörte, sind die Beschreibungen uninteressant.

(Guntram König, Rudolf Patzer, „Kontrollierte Feindschaft. Manöverbeobachtungen und Inspektionen 1987 bis 1990, Helios-Verlag, Aachen 2011)

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