FEUILLETON-ZEITGEIST: Wenn Informationen verunsichern

Feuilleton-Zeitgeist
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(PDF:) Wenn Informationen verunsichern

„Wenn Informationen verunsichern“

 („Man kann gar nicht soviel Verschwörungsphantasie

haben, wie die kriminellen Verschwörer

der Geheimdienste und deren Agenturen

an Verschwörungen realisieren.“

(Wolfgang Bittner, „Die Eroberung Europas durch die USA“)

 

Inhalt:                          

„Kuck da nicht hin

Alles hinterlässt Spuren

Paramilitärische Erlkönige

 Der Frieden ist verlockend einfach

 

Hannes Nagel

Musenverlag * Edition Bewegungsmelder * Dezember 2015

 

„Kuck da nicht hin.“

Mitten in das diffuse Angstgefühl vor Terror und Krieg hinein sagte Innenminister Thomas de Maiziere im November, er könne das Ausmaß der Gefahren nicht genauer erläutern. „Das würde die Öffentlichkeit verunsichern“, meinte der Minister und er klang dabei so wie Eltern, die ihrem Kind sagen: „Das verstehst du noch nicht“. Und dann halten sie dem Kind eine Hand vor die Augen und sagen: „Kuck da nicht hin.“ Was hätte denn die Öffentlichkeit dort sehen können, wo sie nicht hinkucken soll? Der Innenminister hatte diesen Satz auf einer Pressekonferenz getan. Sie war angeordnet worden, weil ein Fußballspiel in Hannover wegen einer bestehenden Terrorgefährdung abgesagt und das Stadion geräumt wurde. Als das Kleinkind Öffentlichkeit Papa Thomas fragte, was denn da so gefährlich war, sagte er: „Teile meiner Antwort könnten die Öffentlichkeit beunruhigen.“ Viel Beunruhigter könnte die Öffentlichkeit aber sein, wenn man ihr sagt, man müsse ihr zu eignem Schutz ein paar vorhandene Informationen vorenthalten. Im Übrigen stellt ein solches Verhalten auch eine Missachtung der Öffentlichkeit und ihrer Fähigkeit zum Verstehen dar.

Alles hinterlässt Spuren.

Eventuell kann nichts geschehen, ohne Spuren zu hinterlassen. Das müsste jedenfalls so sein, wenn es kein Nichts gibt. Dann müsste man aber von den verheimlichten Informationen wenigstens merken, dass sie der Teil sind, der in der Menge der öffentlich verbreiteten Informationen fehlen. De Maizieres verheimlichte Beunruhigungen könnten zum Beispiel das Verhältnis von Gefahr zu Mitteln der Gefahrenabwehr betreffen. Die derzeitige Spurenlage drängt danach, zwischen den Zeilen der Medien das Weggelassene zu suchen. Da steht dann zum Beispiel, dass die NATO überall in Europa manövert, wo als Ziel Russland gemeint sein könnte. Im Innern Deutschlands ist fast nichts zu bemerken. Nur der Ruf nach einem Einsatz der Bundeswehr im Innern wird häufiger. Und die „Neins“ kommen noch schnell und laut. Der „Innendienst“ der Bundeswehr ist zur Zeit grundgesetzlich unzulässig. Das ist der banale von den Gründen, weshalb die Militarisierung nicht zu sehen ist, aber nach den verfügbaren Informationen vorhanden sein muss. Der tatsächlich wahrnehmbare Fluglärm von Kampfflugzeugen ist jedoch nicht zu leugnen. Zu sehen sind sie aber nicht. In dem Geschichtsabschnitt „Kalter Krieg“ gab es trotz der Episode der „Großen Geheimhaltung“ genug Spuren, die man mit bloßem Auge wahrnehmen konnte. Wenn ein Regiment zu einer Kriegsübung mit Panzern ausrücken musste, wurden die Panzer auf Eisenbahnwaggons verladen. Nie konnten Züge unbemerkt in Schießplatznähe vorrücken. Nie konnten die Panzer unbemerkt und ungesehen durch die Wälder auf die Schießplätze donnern. Spätestens dann, wenn die Ketten auf Straßenbelagen der Ortschaften oder auf den Sandwegen der Panzerzufahrten Spuren abgedrückt hatten, wusste jeder: Heute schießen sie wieder. Trotz aller Geheimhaltung konnte nie ganz verhindert werden, dass Fotos von Militärkolonnen vom Straßenrand einer Ortschaft aus fotografiert werden konnten. Im Oktober geschah aber am Militärflugplatz Neubrandenburg etwas, was wie ein gespenstischer Militärauftritt während des Kalten Krieges wirkte. Die Lokalzeitung Nordkurier berichtete darüber am 30.9.2015: (hier ausschnittsweise wiedergegegeben)

„Auf dem ehemaligen Militärflughafen Trollenhagen starteten und landeten Militärmaschien. Wenn es nach Bundeswehr und Bundespolitik wäre, hätte davon niemand etwas mitkriegen sollen.“

„Augenzeugen berichteten, dass Transporter mit nicht geläufigen Kennzeichen am Radisson Hotel Neubrandenburg vorgefahren sind. Zehn bis fünfzehn Soldaten in Uniform seien ausgestiegen.“

„Eigentlich sollte es eine Übung sein, von der die Bevölkerung nichts mitbekommen sollte, hieß es aus Kreisen des Kommandos Spezialkräfte (KSK).“. Soweit der Nordkurier. Nach eigenen Beobachtungen von „Das Flugblatt“ marschierten am selben Mittag um 13 Uhr 10 vier Hubschrauber in militärischer Gruppenformation aus Richtung Neubrandenburg über den Wohnblock der Flugblatt-Redaktion in Richtung Berlin. Die mittags vom Flugblatt beobachteten Hubschrauber waren von ihrem Anstrich her weder eindeutig dem Militär noch Truppen der Inneren Sicherheit zuzuordnen. Beginnt hier oder vollendet sich gerade die Wiederverschmelzung von Militär, Polizei und Geheimdiensten zu einer Sondertruppe, die für den überall gebrauchten neuen großen Krieg gebraucht wird? Man sollte also aufmerksam beobachten, denn auch in fast jedem Krimi heißt es: „Jedes Detail kann wichtig sein.“

Material:

„Geheim-Übung ruft Amerikaner auf den Plan“, Nordkurier 30.09.2015

Wolfgang Bittner, „Die Eroberung Europas durch die USA“, ergänzte Fassung von November 2015

Paramilitärische Erlkönige

Vielleicht war die unbekannte Truppe ja auch eine Spezialeinheit der Grenzschutzagentur FRONTEX. Kann man es wissen? Wissen kann man heute nur, dass man alles für möglich halten kann. CDU-Fraktionschef Volker Kauder fabulierte im Dezember 2015 von einer neuen EU-Grenzpolizei, welche die bisherige Grenzschutzagentur FRONTEX ersetzen soll. Der Vorschlag, wie er nach einem Bericht des Nachrichtensenders N-TV aussieht, erinnert fatal an die Schaffung einer europäischen Armee, wie sie in den Hoch-Zeiten der Europäischen Integration als Gemeinsame Außen-und Sicherheitspolitik beschrieben wurde. Aber Kauder will das ganze eher als Polizei strukturiert sehen. Dann könnte daraus eine paramilitärische Truppe ohne nationalstaatliche Steuerung werden. Falls das so geplant sein sollte, braucht die Truppe natürlich auch Kennzeichen, die bisher noch nicht bekannt sind. Wenn neue Automodelle öffentlich getestet werden, tarnt man sie, damit keiner vorschnell den neuen BMW oder so erkennt. Sie nennen das getarnte Auto im Fachjargon „Erlkönig“. Insofern könnten in Europa momentan paramilitärische Erlkönige unterwegs sein. Im März 2015 gab es eine sehr interessante Stellenanzeige im Nordkurier: Ein Unternehmen der Branche Fahrzeugbau suchte außer Landmaschinenschlossern auch Waffentechniker, Panzerschlosser und Leute, die Fahrzeugaufbauten herstellen können. Die Leute sollten fest angestellt werden. Krieg, Waffen und Militär scheinen ja sehr profitable und krisensichere Branchen zu sein. Oder die einzige Krise, die diese Branche kennt, ist der Frieden, der ihren militärischen Bereich überflüssig macht. Man kann sich auch Fragen, welche Bedeutung die Beobachtungen um die Bemühungen zur Abschaffung des Bargeldes und insbesondere der kleinen Ein-Cent-Münzen und Zwei-Cent-Münzen haben. Ist dieser Prozess Teil eines Geschäftsmodells, welches außer den Erfindern noch keiner kennt? Ist es nicht ohnehin merkwürdig, dass heutzutage ständig von Geschäftsmodellen gesprochen wird, aber nicht mehr von ökonomisch und nachhaltig verantwortlicher Bewirtschaftung der Ressourcen?

Vielleicht wandelt sich die Aufgabe der Medien vom Erklärer und Berichter zum Spurensammler und Fährtenleser. Die Medien können das Nichtsehbare abbilden. Jakob Augstein schrieb in einer Spiegel-Online-Kolumne nach dem Wahlergebnis von Front National in Frankreich: „Faschismus in Europa: Die völkische Revolution“. Erschreckend war das Ergebnis des Textes: „Der Faschismus ist kein Phänomen der Vergangenheit.“ Aber was ist dann, wenn man den Faschismus, wenn er dann da ist, nicht wirklich erkennt, weil er in einer eher subtilen Form auftritt? Wenn man bei dieser Frage angekommen ist, kann man sich nicht mehr sicher sein, ob der Faschismus mit seiner Ankunft noch droht oder bereits dabei ist, den Staatsapparat zu übernehmen. Wenn er erst kommt, kann man ihn noch verhindern. Wenn er schon da ist, muss man bereits jetzt als Dissidentengruppe lernen und üben, was man braucht. Aber worauf genau soll man sich vorbereiten? Auf Konspiration? Auf Behördenkunde einschließlich Zuständigkeitsbereich und Ansprechpartner? Und dann regelmäßig taktische Übungen durchführen, zum Beispiel, unerkannt von A nach B zu gelangen und dabei öffentlich überwachte Plätze zu nutzen? Also mit der Bahn fahren und dabei verschiedene Bahnhöfe und deren Überwachungsanlagen und Nahverkehrsverbindungen von und zu den Bahnhöfen kennen zu lernen? Ob das nötig ist oder was überhaupt nötig ist, um keine bösen Überraschungen durch einen neuen Faschismus zu erleben, dessen konkrete Form entweder noch nicht bekannt ist oder bewusst diffus gehalten wird, lässt sich trotz allem immer noch aus verschiedenen Zeitungen ableiten. Denn unabhängig vom Wahrheitsgehalt ist das Veröffentlichte etwas real Denkbares. Nun kommt es noch darauf an, zu wissen, welche Spuren wir lesen können müssen, weil die Kenntnisse von Spuren zum Lebenserhalt nötig sind. Zeitungen sind dann so etwas wie die aufgeregten Zeugen, die dem Kommissar dennoch sachdienliche Hinweise geben. Der stille Beobachter lernt aus Allem. Demzufolge bekommen Blogmedien die Aufgabe, sich zu einem VOLKSNACHRICHTENDIENST zu formieren, der Aufklärung über die INFORMATIONSVORENTHALTUNG betreibt.

 Material:

„Europas Protestbewegungen: Lust auf Links“, www.spiegel.de 26.9.2015

„Das globale Finanzsystem: Titanic auf Kollisionskurs“, www.telepolis.de 10.10.2015

„Union fordert neue EU-Grenzpolizei“, www.n-tv.de. 10.12.2015

Stellenanzeige aus Nordkurier, 25. März 2015

„Faschismus in Europa: Die völkische Revolution“, www.spiegel.de 07.12.2015

„Kanzleramtschef Altmaier kündigt Transitzonen an“, www.telepolis.de 11.10.2015

„SPD lehnt Massenlager im Niemandsland ab“, www.faz.de 12.10.2015

„Justizminister Maas; Transitzonen sind in Wirklichkeit Haftzonen“, www.telepolis.de 12.10.2015

„Polizeigewerkschaft fordert Grenzzaun“, www.n-tv.de 18.10.2015

„Flüchtlinge: Kluft zwischen privaten Äußerungen und veröffentlichter Meinung“, www.telepolis.de 21.10.2015

„Bundesregierung in Sorge: Mitte der Gesellschaft radikalisiert sich“, www.n-tv.de 04.11.2015

„Sprunghafter Anstieg der Anschläge auf Flüchtlingsheime“, www.telepolis.de 30.11.2015

Immanuel Kant, „Der ewige Friede“

Der Frieden ist verlockend einfach.

Eine Gefahr, die man hört, aber nicht sieht, wirkt beängstigend. In einer Kurzgeschichte von Ernest Hemingway heißt es: Vor einem Löwen hat man dreimal Angst: Das erste Mal, wenn man ihn hört, das zweite Mal, wenn man ihn riecht, und das dritte Mal, wenn man ihm gegenüber steht. Man weiß aber wenigstens, dass die Angst vor einer Gefahr VON einem Löwen ausgeht. Wenn man ein Großwildjäger ist, geht aber auch eine Gefahr FÜR einen Löwen aus. Schon schwant einem, dass Gefahren wohl gegenseitig sind. Erst empfindet einer einen andern als Bedrohung. Dann suchen sie nach Beweisen. Und schon ist der Ärger da. Dauert der Ärger lange genug, wie zwischen Israel und Palästina, ist mit Ursachenforschung nichts mehr zu machen. Mit reinem Tisch ginge es. Tafeldienst, Tafel abwischen, Streithähne zu Tisch – wem das Mahl bekömmlich werden soll, der streitet nicht beim Essen.

 

Übrigens: Beim Reisen mit der Bahn gab es vor diesen ICE-Großraumwaggons Abteile für sechs Personen. Drei fuhren mit Blick in Fahrtrichtung, drei mit dem Rücken in Fahrtrichtung. Wenn das Abteil noch nicht ganz voll war und fünf Mann hatten sich schon eingerichtet, miteinander gesprochen oder so, dann reagierten sie oft einstimmig gegen den sechsten Mann, der Kopf und Koffer durch die Tür steckte und fragte: „Entschuldigung, ist hier noch ein Platz frei?“ Der Mann war solange ein Eindringling, bis er seinen Koffer auf der Gepäckablage und seinen Hintern im zugewiesenen Sitzquadrat verstaut hatte. Bis zum Reiseziel gehörte er dann dazu. Er brachte Unruhe ins Abteil, aber die Unruhe legte sich, wie sich das gekräuselte Wasser irgendwann wieder beruhigt, nachdem da ein Stein reingeworfen wurde. „Spiegelglatt ruht der See, bis man nen Stein dort hineinschmeißt.“ Und danach ist wieder alles ruhig, es sei denn, jemand will den Zustand der Unruhe beibehalten. Von den Reisenden ging am Ziel dann sowieso jeder seines Weges – und welchen Sinn hätte es gehabt, sich vorher noch schnell die Köpfe einzuschlagen? In Politik und Terrorismus mag man dies zwar wissen, kümmert sich aber nicht drum. Dann muss es sich um Leute handeln, die aus normaler Unruhe einen Streit entstehen lassen wollen, bei dem sich die Hämmel gegenseitig die Köpfe einschlagen. brauchen. Wahrscheinlich sind DIES die Terroristen und nicht die Hämmel, deren Köpfe von den Terroristen missbraucht werden. Wofür brauchen die das? Das begreifen nun wiederum die einfachen normalen Leute nicht.

Der Haupttrend der Natur ist der Trend zum Gleichgewicht. Wenn der Frieden der Ruhezustand ist, zu dem die Natur strebt, dann kann er verewigt werden, wenn immer gute Bedingungen zur Beruhigung eines vorübergehenden Aufruhrs bereit gehalten werden. Flüchtlinge sind ein Zeichen dafür, dass an ihren Herkunftsorten Krieg herrscht – militärisch, profitwirtschaftlich oder selbstzerstörerisch. Frieden entsteht ab dem Moment, wo sich die Fremden „ins Abteil“ gesetzt haben und alle miteinander kommunikationsgesellig miteinander umgehen. Der Frieden ist so verlockend einfach, dass er ewig währen kann. Und so wie folgt liest sich der Gedanke vereinfacht ausgedrückt bei Immanuel Kant:

„Es ist hier, wie in den vorigen Artikeln, nicht von Philanthropie, sondern vom Recht die Rede, und da bedeutet Hospitalität (Wirtbarkeit) das Recht eines Fremdlings, seiner Ankunft auf dem Boden eines an dern wegen, von diesem nicht feindselig behandelt zu werden. Dieser kann ihn abweisen, wenn es ohne seinen Untergang geschehen kann; so lange er aber auf seinem Platz sich friedlich

verhält, ihm nicht feindlich begegnen. Es ist kein Gastrecht, worauf dieser Anspruch machen kann(wozu ein besonderer wohltätiger Vertrag erfordert werden würde, ihn auf eine gewisse Zeit zum Hausgenossen zu machen), sondern ein Besuchsrecht, welches allen Menschen zusteht, sich zur Gesellschaft anzubieten, vermöge des Rechts des gemeinschaftlichen Besitzes der Oberfläche der Erde, auf der, als Kugelfläche, sie sich nicht ins Unendliche zerstreuen können, sondern endlich sich doch neben einander dulden zu müssen, ursprünglich aber niemand an einem Orte der Erde zu sein mehr Recht hat, als der andere.“

Da hatte der Königsberger Philosoph mächtig einen hingewehnert.

 

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