REZENSION: “Der Terrorist als Gesetzgeber”

Rezension „Der Terrorist als Gesetzgeber“

„Der Rechtsstaat gilt nur bei schönem Wetter“

Antiterrorthomas und NATO-Gipfel

Terrorismus, Säbelrasseln und gesetzliche Einschränkungen der Freiheitsrechte bestimmten im Juli die Tragödien auf den Politikbühnen in Europa und außerhalb Europas. Auf den Medienbühnen hingegen kam Europa im Zusammenhang mit der Europameisterschaft im Fußball vor. Das sportliche Europa bestimmte thematisch die Nachrichtenlage in Europa, das politische Europa kam hauptsächlich als Spekulation über Folgen und Reaktionen auf den Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union vor. Die Themen NATO-Gipfel in Warschau, neue Anti-Terrorgesetze der Bundesregierung und ein neues BND-Gesetz kamen zwar auch vor, aber sie gingen im Fußballbegleitgeräuschpegel unter. Gesagt ist gesagt, mögen sich die Zuständigen gedacht haben, wer es nicht hört, ist selber schuld. Sprechen in der Hoffnung nicht gehört zu werden, um sagen zu können, man habe nichts verschwiegen, könnte man als eine neue Form der Unredlichkeit auffassen. Wenn man das Stimmenwirrwarr ein wenig ordnet, dringt ein Wechselgesang ans Ohr zwischen Regierungsgemurmel und der dem Versuch der Bürgerinitiative „Digitalcourage“, die versucht, das Gemurmel von „Antiterrorthomas“ an die interessierten Ohren der Adressaten zu bringen. „Antiterrorthomas“ hat die Initiative zum Spitznamen von Bundesinnenminister Thomas de Maiziere gemacht. Am 8. Juli 2016 hatte die Initiative eine Demonstration in Berlin gegen Anti-Terror-Gesetze und BND-Gesetz in Bewegung gesetzt. (Anmerkung Redaktion: Auf beide bezieht sich die Rubrik Zeitgeist in der Ausgabe 106 sowie in der Online-Version von „Das Flugblatt“)

Digitalcourage erhält Unterstützung von dem Journalisten und Rechtsexperten Heribert Prantl. Prantl kommt mit seinem Buch „Der Terrorist als Gesetzgeber“ den Menschenrechtlern von Digitalcourage zu  Hilfe wie weiland Feldmarschall Gebhard Leberecht von Blücher dem Herzog von Wellington, als sie zum Schluss Napoleon, dem korsischen Bedränger Europas, bei Waterloo den Hintern versohlten.

Die Rechte an dem Buch „Der Terrorist als Gesetzgeber“ liegen dem Impressum zufolge seit 2008 bei dem herausgebenden Verlag Droemer. Merkwürdig, das in all den Jahren nichts von dem Buch bekannt wurde. Oder zu wenig. Auf jeden Fall trifft es den Zeitgeist von 2016 so präzise, als habe sich der bemüht, Thesen und Schlussfolgerungen des Autors zu bestätigen. Der Untertitel des Buches heißt „Wie man mit Angst Politik macht“. Dieser Untertitel meldet Anspruch auf zeitlose Gültigkeit an.

Der Rechtsstaat gilt nur bei schönem Wetter.

Beinahe durchgehend wiederholt Heribert an unterschiedlichen historischen Beispielen und dem aktuellen Geschehen zum Erscheinungszeitpunkt des Buches die stets gleichbleibende Feststellung, dass das Recht nicht mehr gilt, wenn es gefährdet wird. Der Rechtstaat und seine Vorgänger, sofern diese in friedlichen Zeitabschnitten ihres Bestehens Handlungsfreiheit, Schaffensfreiheit oder unantastbare „verbriefte Rechtsgarantien“ für die Bürger hatten waren immer nur bei schönem Wetter Grundlage für das Zusammenleben der jeweiligen Gesellschaften. Und immer waren es die Garanten des Rechts – also die staatlichen Organe – die es als erste außer Kraft setzten, wenn vor den Toren der Stadt oder an den Grenzen des Landes eine Gefahr, eine Bedrohung oder nur etwas Fremdes auftauchte oder wenn die versprochenen Rechtsgarantien ein paar Entfaltungsmöglichkeiten der Macht behinderten. Von da an ist es nicht mehr weit zu der Vermutung, dass mancherlei Vorkommnis den Staaten ins eigne „Befreiungskonzept“ von den Fesseln verpönter Handlungsmöglichkeiten passte. Der internationale Terrorismus oder was man dafür hielt passte der deutschen Politik recht gut ins Konzept, verpönte Auslandseinsätze der Bundeswehr mit auch bereits gefechtstätigen Befugnissen durchzusetzen. Wenn es wirklich nur eine vorübergehende Begrenzung der rechtsstaatlichen Vertrauengrundsätze bis zur Wiederkehr einer neuen Schönwetterlage wäre, könnte die Vernunft fähig sein, einiges Freiheitsbeschränkungen zu akzeptieren –aber die Freiheitsbeschränkungen unter dem Vorwand von Terror, Kriegsgefahr oder subversiven Untergrabern der freiheitlich-demokratischen Grundordnung (FDGO) blieben ja immer beschränkt wenn sie mal beschränkt worden waren.

Scheinbar gibt es keine „vorübergehenden Freiheitsbeschränkungen“. „Vorübergehende Steuererhöhungen“ wurden ja auch nie wieder rückgängig gemacht. Im Ganzen ist das Buch moralisierend, klagend, mahnend – aber es bietet keine Lösung des Trend zur Freiheitsbeschränkung an.

(Heribert Prantl, „Der Terrorist als Gesetzgeber. Wie man mit Angst Politik macht“, Droemer-Verlag, München 2008)

 

Dieser Beitrag wurde unter Feuilleton-Rezension abgelegt und mit , , verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.