FEUILLETON-REZENSION: Casablanca 1943

Rezension „Casablanca 1943“

„Kultzeit geht nie vorbei“

 „Casablanca“ war ein Film, der beim Anschauen noch in den 80er Jahren den Eindruck erwecken konnte, dass die Aktualität von 1943 immer noch lebendig ist. Es ist ein Film über Krieg im Krieg sowie über Flucht , Widerstand und die Schwäche der Mächtigen angesichts der Sturheit entschlossener Menschen. Wenn man sich Verfolgung vorstellte, tauchten Filmszenen aus „Casablanca“ mit Humphrey Bogart, Ingrid Bergmann auf und aus“Le Train“ Jean-Louis Intrignant und Romy Schneider auf. Aber auch Musik und Literatur woben sich in die Assoziationen ein. Literarisch kann „Die Nacht von Lissabon“ des Schriftstellers Erich Maria Remarque nicht fehlen und musikalisch nicht die „Symphonie Patetique“ von PjotrTschaikowsky, das sich wie ein konspirativer Liebesabschied angesichts sich bald schließender Geheimdienstfallen anhört. Schade, dass man diesen Kultfilm nicht mehr via Fernsehen sehen kann. Er hätte es wegen seiner zeitlosen Aktualität verdient. Am Besten im Vergleich mit einer Neufassung auf der Basis von Norbert Pötzls „Buch Casablanca 1943“. Ohne jegliche Besserwisserei zeigt der Autor logische Fehler in der Handlung auf. Zum Beispiel die art der ominösen Visa, die nur noch mit einem namen zu versehen waren und niemand hätte je diese Visa kontrollieren dürfen. Viele haben lange gesucht um herauszufinden, was für ein Visum das war. Sie kamen nicht darauf, worauf der Autor kam, nämlich auf einen Regietrick von Alfred Hitchcock, der solche nichtexistenten Handlungsantreiber im Film einen „Mac Guffit“ nannte. Ein Mac Guffit kann auch eine Behauptung sein, die gar nicht mehr hinterfragt wird. Mac Guffitts brauchen keine Logik. Sie sind sozusagen das Orx im Fantasiefilm, wo die mit den Hörnern das Orx zur machtausübung benutzen und die sommerlich Gekleideten das Orx erobern wollen, weil sie die Eroberung des Orx für die Freiheit halten. Die zweite Überraschung des Buches ist die Deutung von Rick und Ilsa als Roosevelt und Churchill. Demnach ist der Film eine Parabel auf die Versuche Churchills, Amerika auch zum Schutz Großbritanniens zur Eröffnung der zweiten Front zu bewegen. Ilsa muss Rick beschwören, ihr und Victor Laszlo die Visa zu geben, Churchill muss Roosevelt beschwören, als Verbündeter in der Antihitlerkoalition mitzumachen. Von beiden hängt die Freiheit von Millionen ab – soviel Pathos muss sein. Die dritte Überraschung ist die Nennung des realen Vorbilds für den Filmwiderständler Victor Laszlo. Da kann man lange in Wikipedia oder Google suche – für solche Feinheiten braucht man echtes Wissen und keine gefundenen Algorithmen.

(Casablanca 1943. Das Geheime Treffen, der Film und die Wende des krieges, Siedler Verlag, München 2017)

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