FEUILLETON-REZENSION: Hätt der Hund nicht gedrückt hätt er den Hasen gefangen

Rezension „Der Zerfall der Demokratie“

„Hätt der Hund nicht gekackt, hätt er den Hasen gefangen“

 Yascha Mounks Buch „Der Zerfall der Demokratie. Wie der Populismus den Rechtsstaat bedroht“ klingt wie der empörte, nicht Ruhe geben wollende Enttäuschungsschrei eines Fans über seinen Star Francis Fukuyama. Fukuyama hatte Anfang der 90er Jahre das Buch „Das Ende der Geschichte“ verfasst. Darin deutete der bekennende Neoliberale das Ende der sozialistischen Staaten und des kalten Krieges als das Ende der Geschichte, dessen Sieger eben jener Neoliberalismus sei, der Kriege nur noch als lokale Weltpolizeieinsätze zur Sicherung von Handelswegen und Rohstofflieferungen betrachtet. Da kann man schlecht Krieg zu sagen, wenn als Verursacher von Kriegen immer nur der Gegner feststand, den es gar nicht mehr gibt. Als Karl Theodor zu Guttenberg noch Verteidigungsminister war, hatte er auch mal das Dilemma, den Krieg und die Kriegsbeteiligung der Bundeswehr als etwas anderes zu deuten als als krieg und gleichzeitig denjenigen Recht zu geben, die bewaffnete Militärtätigkeit grundsätzlich als Krieg empfinden. Zu Guttenberg erfand die brilliante Formulierung vom „kriegsähnlichen Zustand“. Die Wegelagerei um den sicheren Abtransport geraubter Ressourcen in den Siegersektor der neoliberalen Weltteilung nach der bilateralen Ost-West-Spaltung hat sich nun entgegen der Thesen Fukuyamas nicht mehr als kriegsähnliches Scharmützel zur Disziplinierung von Kleingärtnern heruas gestellt, die ihre Äpfel gerne selber enrten und verteilen möchten und damit der selbstberechtigten großen neoliberalen Hand nicht mehr mit galantem Handkuss begegnen. Irgendwo hatte Fukuyama sich geirrt. Mounk ist davon enttäuscht und mag es nicht hinnehmen. Und wenn beide Effi Briest gelesen hätten, würden sie wissen:

„Es sind immer die Imponderabilien, die den Gang der Geschichte bestimmen“

 So spricht in Theodor Fontanes Gesellschaftsroman „Effi Briest“ Schwiegerpapa mit Schwiegersohn. Der Schwiegersohn ist der aufstrebende junge Landrat von Instetten, der die 17-jährige Tochter vom Vater Briest geiratet hatte. Das konnte nicht gut gehen, und manchmal geht auch die Geschichte nicht nach Plan, weil zum Beispiel ein Abiturient mit Fahrrad so dammelig vor einer Militärkolonne dahin fährt, dass dieselbe mit Verspätung am Manöverort eintrifft. Damit kann ja keiner rechnen. Jeder Plan hat seine „Unwägbarkeiten“ – so heißt Imponderabilien ins Normalverständliche übersetzt. Man kann zwar sehr genau planen, aber nie alles berücksichtigen. Man kann die Hasenjagd planen, aber wenn mann vergisst, dass der Hund auch mal muss, dann braucht man sich nicht mehr über das Sprichwort tzu wundern:

„Hätt der Hund nicht gekackt, hätt er den Hasen gefangen.“

 Hätte, könnte, wäre, sei: Nachher ist alles wie es ist und man muss mit dem klarkommen, was man als Lage vorfindet, statt mit dem, was hätte sein können. Der Hund hatte aber gekackt. Gorbatschow regelte seins mit Amerika und Günter Schabowski sagte: „Sofort, Unverzüglich“ – da war die Grenze zu Westberlin auf, die Hasen hoppelten über Schussstreifen und ahnten nicht, dass wiederum Unwägbarkeiten eherne Erkenntnisse über Staat und Politik statt Sicherheit völlig neue Situationen entstehen lassen würden. Das ist der Inhalt von Mounks Fortsetzung von Fukuyama. Hätte es keine Populisten gegeben, die aus der wirtschaftlichen Krise und der Zunahme von Terror eine krise der Demokratie gemacht, hätte Fukuyama ja vielleicht noch Recht gehabt. Aber sie ließen ihn ja nicht. Es hatte nicht der Hund gekackt und dem Hasen die Chance zum entkommen gegeben, es hatte der Hase aus der Position der Unangreifbarkeit den Jägern in die Stiefel geköttelt. Populisten nutzen den Schutz der Meinungsvielfalt aus, um permanent gegen sie zu stänkern. Für Mounk ergibt sich das Problem:

„In Anbetracht dieser Tatsachen kann kein Zweifel mehr daran bestehen, dass wir einen Moment des Populismus durchlaufen. Die einzige Frage, die es nun zu beantworten gilt, ist, ob sich dieser Moment zu einem populistischen Zeitalter ausstrahlt und letzlich sogar das Überleben der Demokratie in Gefahr bringt.“

 Über Populisten schreibt der Autor, dass sie von ihrem Wesen her

„viel inbrünstiger als traditionelle Politiker an die Herrschaft des Volkes glauben“

Was aber zugleich auch wieder nicht stimmen kann, weil die populistischen Nazis gar nicht an Volk denken bei dem was sie da tun. Sie denken gar nicht. Sie stänkern nur.

Daher bestehe die Bedrohung der Demokratie nur darin, dass die Nazis inhaltlich noch gar nicht so genau wissen, was denn die Alternative zur liberalen Demokratie sein soll. Man könnte, schreibt Mounk, den Nationalstaat völlig neu denken, um ihn eben nicht den Populisten zu überlassen.

Hm. Wäre zumindest ein Ende der Globalisierung. Dann bliebe aber immer noch viel zu tun, um den Sozialabbau zu stoppen und die neoliberalen Trends zu Niedriglohnsektoren im Interesse des Erhaltes des sozialen Friedens umzukehren.

(Yascha Mounk, „Der Zerfall der Demokratie“, Dromer, München 2018)

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