FEUILLETON-ZEITGEIST: Pannen im Terrorklärwerk

 

FEUILLETON-ZEITGEIST

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 „NSU-Prozess: Pannen im Terrorklärwerk“

 Tanjev Schultz, „NSU. Der Terror von rechts und das Versagen des Staates“, Dromer, München 2018

 Kernseife und klares Wasser sind probate Mittel, um sich die Hände zu waschen. Waschbedarf für die Hände besteht, wenn Blut daran klebt. Aber derart beschmutzte Hände werden partout nicht sauber. Das brachte der englische Dichter William Shakespeare Stil-und Sprachgerecht in dem Drama Macbeth auf den Punkt. Lady Macbeth klagte in ihrem dem Morde auf den Füßen folgenden psychotischen Wahn, dass „es immer noch nach Blut hier riecht, und alle Wohlgerüche Arabiens würden diese Hand nicht reinigen“. Mord verjährt nicht und Blut riecht immer. Je nach Täter oder Tätergruppe ist ein Mord kein Einzelfall, sondern Element einer Serie. Militärisches Dauermorden und Tötungsdelikte von Terrorgruppen sind Tatumgebungen, in denen der Mord am politischen Feind zur Tugend erhoben und der Wert eines Menschenlebens auf Null gesenkt werden. „Zehn Morde, drei Sprengstoffanschläge und 15 Raubüberfälle“, so zählt es der Klappentext zu Tanjev Schultz Buch „NSU. Der Terror von rechts und das Versagen des Staates“ auf, soll alleine auf das Konto einer Dreiergruppe aus Thüringen gehen, deren Taten aber bundeslandüberbgreifend Spuren hinterließen. Knapp fünf Jahre dauerte ein Prozess gegen Beate Zschäpe, die von der Dreiergruppe übrig geblieben war. Der Tod der anderen ist umrankt von inszenierten Unklarheiten. Denn immer wiesen Spuren darauf hin, dass jedes mal bei jeder war bei den Tätern nah der Staat, der als Schützer der Verfassung mit dem Ganzen trug Befassung.

Aber im Geheimen ist es üblich, dass man entweder gar nichts sagt oder einen vom Pferd erzählt, Stichwort Legende, und dann können sich Untersuchungsausschüsse und Staatsanwälte einen Wolf ermitteln und übrig bleibt eine Öffentlichkeit, die betroffen merkt: Der Vorhang ist zu und alle Fragen sind offen. Eine der auch aus anderen Gründen als dem Terrorismus interessante Frage ist die, wie es einer vergleichsweisen kleinen Truppe gelingen kann, fast 13 Jahre im Untergrund zu leben, wo doch die stete Zunahme der Überwachungsgesetze bis hin zur Gesichtserkennung auf Bahnhöfen und anderen öffentlichen Treffpunkten von Konspirateuren gerade diese Versteckspielmöglichkeiten von Leuten, die es nötig haben, mit dem Staat unterbinden sollten? Man müsste fast denken, dass die Untergrundleute nur den Umstand ausgenutzt haben, dass die Sicherheitsbehörden selber gar nicht so ernsthaft an die von ihnen behaupteten Gefahren glaubten. Der Weihnachtsmann fällt am wenigstens dort auf, wo keiner an ihn glaubt. Das Buch von Tanjev Schulz musste, so scheint mir, heute geschrieben werden, damit es in 20 Jahren ohne Veränderung des gedruckten Wortes gelesen werden kann.

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