TAGESBEMERKUNGEN 19.11.2019: „Film dreht Flucht nach Europa um in Flucht nach Afrika”

„Film dreht Flucht nach Europa um in Flucht nach Afrika“

Quelle: WDR Aufbruch ins Ungewisse , Dienstag, 19.11.2019

In der Anfangsszene des Filmes wird Schweden als das letzte Land der Europäischen Union gezigt, in dem eine faschistische Machtergreifung stattfindet. Zeitgleich verhaftet eine AFD-inspirierte Bürgerwehr die Redakteure der Süddeutschen Zeitung. Die Konsequenz ist klar: Weg aus Deutschland, raus aus dem Frontexumriegelten Konzentrationslager Europa. Danach beginnen sich Bilder unter umgekehrtem Vorzeichen zu ähneln: Schlauchboote mit Europäern werden vor afrikanischen Küsten abgefangen, Familien auseinander gerissen – alles wie man es von der europäischen Behandlung nordafrikanischer Migranten kennt.

Der Ankunftsort ist der FJüchtlinge im Film wird als Küste Namibias bezeichnet – schon immer ein Ort der Verzweiflung für Schiffbrüchige, ideal für den Ausdruck absoluter Hoffnungslosigkeit. Namibia wird zum Lampedusa der Europäer, das Ziel Asyl in Südafrika zum Europa der nordafrikanischen Flüchtlinge vertauscht. Südafrika macht bereits klar: Grenzen dicht, Asyl gestoppt, Abschiebung in die Herkunftsländer – in denen, wie in Deutschland, so auch in Schweden, bereits faschistische Diktaturen etabliert sind.

Ganz ohne Grund entstehen solche Ängste nicht. Die Angste bestehen, seit die Grenzschutzagentur FRONTEX vergessen hat zu sagen: Grenzen, die nach außen schützen, hindern auch Menchen von innen, aus dem Grenzbereich heraus zu kommen. Grenzen mit einseitigen Undurchlässigkeiten gibt es nicht – es sei denn für Personen mit speziellen Aufgaben. Flüchtlinge aus Deutschland sollen sofort zurück geschickt werden. Das klingt wie eine Retourkusche auf das selbstherrliche Benehmen deutscher und anderer europäischer Handlungen im Umgang mit Flüchtlingen. Für einen Fim mit einer gesellschaftlichen Aussage ist eine solche Retourkutsche zu billig um überhaupt den Hof zu verlassen.

Die eins zu eins-Umkehrung von Opfern und Tätern kommt spät. In kritischen Berichten, Esays und Analysen ist ist Frage nach dem „Was wäre wenn“, nämlich wenn die Herren und Damen Europäer ihre demokratischen Vaterländer verlassen müssen, um ihr nacktes bisschen Leben zu retten, oft gestellt, aber nie beantwortet worden. Vermutlich war die Frage nur rhetorisch gemeint, aber Rhetorik allein reicht nicht, um die neoliberale gesamteuropäische Diktaturgemeinschaft als Nachfolger der auf Menschenrechte und Meinungsvielfalt gegründeten Europäischen Union zu erklären oder zu verhindern. Solange noch Zeit ist.

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