„Ein Schafhalter versteht was von Schafen“
Liebe Leserinnen, liebe Leser, manchmal hat unsereins philosophische Gedanken. Ich meinerseits will sie Ihnen nicht vorenthalten. Es fing damit an, dass ich im Sommer 2020 nur sehr wenig Schwalben sah. Irgendwie fiel mir die Formulierung ein: „Vielleicht hält sie hier nichts mehr“. Da sinnierte ich über das Wort „halten“. Halten kann das Ende einer Bewegung bedeuten. „Halten“ kann auch bedeuten „etwas tragen“ oder „etwas befestigen“. Und dann dachte ich an die Schafe, die hier sonst immer auf den Wiesen weiden. Es hütet sie ein Schäfer. Ein Schäfer ist ein Mensch, der Schafe hält, um Wolle zu ernten. Ein Schafhalter versteht etwas von Schafen. Ein Pferdehalter versteht etwas von Pferden. Ein Hundehalter versteht etwas von Hunden. Bücher werden in Buchregalen gehalten. Aber muss ein Buchhalter deshalb notwendigerweise etwas von Büchern verstehen? Ein Mensch, der Bücher hält, ist zum Beispiel ein wissensdurstiger Mensch. Er kann auch ein literaturtätiger Mensch sein. Ein Mensch, der Bücher hält, kann auch einfach ein Mensch sein, der Wortwebearbeiten schätzt. Störend an dem Wort Buchregal ist nur der Wortbestandteil Regal. Denn ein Regal war im Mittelalter ein ausschließlich dem Staat zustehendes Verwaltungsrecht. Bücher hingegen sollten Allmende sein, also Gemeinbesitz. Es gibt sehr viele Bücher, aber nicht genug Wortschatz-Orte. Und irgendwie gibt es auch zuwenig Schwalbennester.