Rezension: “Wolfsbrüder”

Baron von Feder

Film-Rezension „Wolfsbrüder“

Solidarität unter dem Gesetz der Wildnis

1954 gab ein spanischer Ziegenhirt seinen jüngsten Sohn zu einem anderen Ziegenhirten in der Wildnis. Denn der Vater konnte seine Schulden nicht mehr bezahlen, und der Grundbesitzer erließ sie ihm um den Preis des Sohnes. Eigentlich war der Junge ganz zufrieden mit seinem Los. Der Hirt, bei dem er lebte, war ein guter Hirte. Der Junge lernte viel, zum Beispiel Knochenbrüche mit dem Bast einer Rose zu heilen, deren genauer Name unbekannt ist. Oder mit einem Frettchen Kaninchen zu fangen. Oder wie man mit Wölfen umgehen muss, damit Mensch und Tier in Eintracht leben können.

Eines Tages starb der Hirt, da war der Junge immer noch ein Kind. Das Kind blieb bei den Ziegen und versuchte, sein Leben so zu gestalten, wie er es von dem Mann gelernt hatte. Und war kein Mensch mehr bei ihm. Nur Wölfe, Ziegen, Geier, Natur, Wildnis sowie das Frettchen und die Karnickel.

Im Jahre 2010 hat Gerardo Oliveras diese Geschichte aufgegriffen und filmisch umgesetzt. Der Film heißt „Wolfsbrüder“. Die Handlung findet meistens im Dunkeln statt, weil es in der Wildnis kein elektrisches Licht gibt. Darum muss man in der Wildnis auch achtgeben, dass das Feuer nie ausgeht. Wenn nicht gerade ein rücksichtloser Spießgeselle der Machhaber das Feuer auspinkelt, gelingt das auch ganz gut. Der Film besticht mit grandiosen Naturaufnahmen und einer phänomenalen Kommunikation zwischen Menschen, Wölfen, Frettchen, Ziegen, Geiern und Karnickeln. Wenn Wölfe angreifen, lernt man, läuft einer links an Ihnen vorbei, einer rechts, und beide berühren Ihre Beine mit ihrer Rute. Wenn Ihnen schon mal im Dunkeln Ihre Katze um die nackten Beine schlich, als Sie gar nicht damit gerechnet hatten, dass sie noch im Haus ist, werden Sie sich die Wirkung sicher vorstellen können. Wenn man mit Wölfen leben muss, damit sie die Ziegen nicht reißen, braucht man ein Frettchen, mit dem man Kaninchen jagt, und eines oder zwei davon gibt man den Wölfen ab. Wenn Sie von Wölfen einmal akzeptiert wurden, dann bekommen Sie auch im Notfall vom Rudel Unterstützung. Ich musste bei dem Film mindestens zwei Mal denken, dass die Schöpfung mehr Solidarität kennt als das Gesetz von fressen und gefressen werden. Im Gegensatz dazu erscheint die Solidarität unter den Armen als hohle Fiktion. Ich dachte: Das ist das Gesetz der Wildnis, so alt und so wahr wie der Himmel. Wer es einhält, kann recht gut gedeihen, wer es aber bricht, wird sterben. Der Gedanke ist nicht von mir, sondern von Rudyard Kipling, der schrieb ihn in dem Gedicht „The Law of the Jungle“:

Now this is the law of the jungle
so old and so true as the sky
those, who shall keep it, may prosper
but those, who shall break ist, must die.

Dieser Beitrag wurde unter Feuilleton-Rezension abgelegt und mit , verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.