Rezension Der Kampf um die Tiefsee

Baumlose Wälder, wasserlose Meere, volle Konten

Gerade erst verstummt der Skandal um die Ölkatastrophe im Golf von Mexiko, da bringt der Verlag Hofmann und Campe in zweiter Ankündigung das Buch „Der Kampf um die Tiefsee“ heraus. Untertitel: Wettlauf um die Rohstoffe der Erde. Vefrfasserin: Saraqh Zierul. Ohne die Erdölschweinerei von BP („Deepwater Horizont“) könnten politikverdrossene Menschen und solche mit einer „Was geht mich das an“-Einstellung sagen, das Buch sei mal wieder so ein Unkenruf. Aber die Tatsachen beginnen das Buch zu überschwemmen. Sein Erscheinen war damit zwingend notig. Gefahr im Verzug. Eiliger Handlungsbedarf. Die Meere sind die letzte Schatzkammer der Schöpfung, weil der Mensch sich lieber auf dem Mond und unter der Vegetation der Regenwälder wie auch im Ewigen Eis herumtrieb als im Meer. Eine letzte Scheu hielt ihn ab, seine Begehrlichkeiten frei zu lassen. Jetzt sind sie alle soweit, technologisch betrachtet und und hinsichtlich der kriminellen Energie, die jetzt weitaus größer als als die letzten Hemmnungen von Skrupel, Moral, Ethik, Verantwortung. Die Rohstoffe an Land sind alle schon verteilt. Um die Rohstoffe im Meer ist der Startschuss zum Wettlauf gerade erst gefallen. An Land gibt es keine Fläche, die niemandem gehört, im Meer gibt es noch Exterritorialität. Das macht es so einfach und verlockend: Einfach hin und an sich reißen. Niemanden fragen zu müssen. Aber das kann und wird zu politischen Konflikten führen. Bei der Eroberung der festen Welt führte auch fast jeder Gebietsanspruch mitsamt dem dazugehörigen Rohstoffanspruch zu Krieg und zu Zerstörung von Lebensraum. Es gibt zwar auch Tiefseeforscher mit hehren Ansprüchen und hohen Idealen – Forschung, Humboldt, Wissen, Verstehen – aber auch für die Tiefsee gilt, dass es keine freie Forschung gibt. Krebsezähler am Meeresboden dürfen das nur dann unbeeinflusst tun, wenn sie nebenbei dem Ausrüstungssponsor ein paar Pröbchen von Manganknollen, Ölfeldern und ein bisschen noch von dies und das mitbringen. Die Forscher müssen nach Ansicht der Geldgeber gar nicht so genau wissen, wozu ihre Erfgebnisse dienen. Es sollte nicht immer nach den Ansichten der Geldgeber gehen. Die Ansichten der Autorin über die Kriegspotentiale aus dem Tiefseeraubbau sind etwas sehr verstreut und versteckt. Aber eine Karte liest sich wie eine Zusammenfassung: Wenn alle darin eingezeichneten untermeerischen Rohstofflagerstätten zu nicht-staatlichen militärischen Konflikten führen (umgangssprachlich auch „Krieg“ genannt), dann sind die Artenvielfalt der Meere und die Freiheit der friedlichen Schifffahrt und das globale Klima extrem gefährdet.

Das bestätigen aber auch andere Medienberichte.

Zeigt der Kompass bald nach Süden?“, hieß ein Beitrag auf der Webseite von n-tv. am 30. 6.2010 – zwei Tage, nachdem Sarah Zieruls Buch fertig war. Immerhin lässt sich nicht ausschließen, das metallische Erze und Magnetismus zusammenhängen und ein Abbau der Erze im Meer die Kompasse nervös macht. Oder Spiegel Online, 11. Juni 2010: „Forscher finden große Mengen Manganknollen“, und zwar irgendwo südlich von Los Angeles. Es waren dieselben Forscher, denen Sarah Zierul bei der Arbeit über die Schulter geschaut hatte, um ihre Reportage über den Tiefseeraubbau zu schreiben. Es drängt sich der Eindruck auf, das sich der Mensch in Bergbaukonzessionsinhaber und Umweltbearbeiter einteilen lässt. Die Umweltbearbeiter sind die, die für eine handvoll wertlosen Geldes mit einem Bagger oben auf einem Hügel stehen, unter sich alles wegbaggern und sich dann wundern, wenn der Bagger kippt und im Modder versackt. Früher, als es noch Bäume gab, sagte man: Der Mensch sägt den Ast ab, auf dem er sitzt. Genützt hat ihm schon das nicht.

Sarah Zierul

Der Kampf um die Tiefsee“

Hoffmann und Campe, Hamburg 2010

ISBN: 978-3-455-50169-8, 22,00 Euro

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