Rezension: “Gandhi und der kleine Prinz”

Dienstag, 23.11.2010

Mittwoch, 17.11.2010

Rezension „Gandhi. Erinnerungen an einen Visionär“

Hannes Nagel

Gandhi und der kleine Prinz

Der eine war Rechtsanwalt und predigte gewaltfreien Widerstand. Der andere ging mit grossen Augen durch die Welt und beschämte erwachsene Dösköppe mit dem Wunsch: „Male mir ein Schaf“. Beide stehen für den Wunsch, die Welt mit kindlicher Naivität zu einem schöneren Ort zu machen.

Vormittags bekam ich vom Scheunenverlag aus Kückenshagen das Buch „Ghandi – Erinnerungen an einen Visionär“ zum Rezensieren. Erst zog ich mir das Buch und das Thema rein. Am späten Abend dann zog ich mir die aktuelle Folge von „Neues aus der Anstalt“ rein. Neues aus der Anstalt ist die Kabarettsendung des ZDF. Diesmal hatten die Mitwirkenden um Urban Priol und Erwin Pelzig die Meinungsäusserungs-und Widerstandsversuche der Gesellschaft gegen die sie verursachenden Verhältnisse als Thema: Stuttgart 21, Castor, Afghanistan, Rösler auf der Weide, „und der Wind pfeift durch die Hose: Arbeitslose, Arbeitslose“ (Tucholsky). Es kam der Bezug auf den Artikel 20, Absatz 4 des Grundgesetzes: Das Widerstandsrecht. „Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist“. Regelmässige Leser des „Flugblattes“ wissen, dass eine Gruppe dieses Namens Anzeigen schaltet, damit der Artikel 20 der mündigen Gesellschaft so geläufig wird wie die fatale Reduzierung der Rolle des Individuums auf den braven Konsumenten durch die Werbung. Wie der Widerstand aussehen darf, damit es den herrschenden Tätern der Beseitigung dieser Ordnung gefällt, sagt der Artikel nicht. Es gibt auch keinen Hinweis darauf, dass „Näheres“ ein „Bundesgesetz“ regelt. Aber es gibt Erinnerungen an Gandhi, und Buchautor Kai Horstmann schreibt: „Gemessen an seinen Zitaten ist Gandhi aktueller denn je. Vielmehr wage ich zu sagen, die Welt braucht wieder so einen wie ihn“. Ich weiss nicht, ob Urban Priol die 70 Seiten von Kai Horstmann gelesen hat, aber ich habe gehört, wie er Gandhi zitiert hat: „Zuerst ignorieren sie dich, dann lachen sie über dich, dann bekämpfen sie dich und dann gewinnst du.”

Der kleine Prinz hatte trotz Schmähungen ein unerschütterliches Vertrauen in das Gute. Wie ein kleines Lamm oder Fohlen, das die Mutter sucht und von ganzem Herzen glaubt: Wenn man jemanden fragt, bekommt man auch eine helfende Antwort. Und wenn man weg gestoßen wird, als Störung empfunden wird, getreten und gebissen wird, dann sind das Ausnahmen. Auch wenn man erlebt, dass sie eigentlich alle so sind. Lämmchen oder Fohlen wird die Mutter schon finden, und die Mutter wird auch gar nicht schimpfen und sich so auf die Seite der Stosser, Treter und Beisser stellt. So etwas tut ja nur die böse Stiefmutter im Märchen. Sie ignorierten ihn, sie lachten über ihn, sie bekämpften ihn und am Ende beschämte er sie durch seine Güte. Der kleine Prinz hatte sie von ihrem Irrtum durch Geduld und Sympathie abgebracht. Das ist ganz Gandhi.

Es macht, verstehen Sie das bitte, vollkommen die beiden erst noch der Dritte: Franziskus von Assisi. Mit Gandhi, Franziskus und dem kleinen Prinzen sind die letzten Tage sozialer Ungerechtigkeit und herzloser Justizbürokratie gekommen.

Kai Horstmann, „Gandhi. Erinnerungen an einen Visionär“, Scheunenverlag, Kückenshagen 2009, bestellbar unter info@scheunen-verlag.de

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