Apropos Griechenrettung

Griechenrettung oder europäischer Aufstand

 

An der Besorgnis der europäischen Regierungschefs über die den griechischen Offenbarungseid ist etwas Besorgniserregendes. Aber was? Es paßt so gar nicht zum Kapitalismus, dass der sich Sorgen macht, wenn einer, der das Spiel nach seinen Regeln mitgespielt hat, nach den Spielregeln des Kapitalismus am Ende ist. Wie ein Pokerspieler im Winter, der Haus, Hof, Schuhe, Mantel und den letzten fadenscheinigen Lumpen am Leib verloren hat. Nach den Spielregeln ist das Schicksal des nackten Verlierers den Gewinnern scheißegal. Warum also kümmert sich die EU so rührend um den nackten Mann im Schnee?

 

Politik zu verstehen ist insofern schwer, als jegliche Information und jedes Argument verlogen sind. Was aaus dem Mund von Angela Merkel tönt oder aus dem von Nicolas Sarkozy ist unverständlich. Die Gesellschaft müßte doch eigentlich in der Lage sein, die im Fach „Gesellschaftskunde“ erworbenen Kenntnisse als gleichberechtigte Wissenspartner der Herrschenden anzuwenden. Wenn also die Gesellschaft meint, Griechenland solle aus den Euro aufgeben und nicht ständig aberwitzig hohe Summen hinten rein zu bekommen (daher also: griechisch, während französisch mit Engelszungen gesprochen wird), dann müste der Gesellschaftspartner Regierung eigentlich fragen: Sag mal, Volk, was meinst Du denn, was genau sollen wir denn tun?

 

Im politischen Sprachgebrauch nennt man so etwas ein Referendum, oder auch Volksabstimmung. Davor haben fast alle Regierungen Angst wie der Teufel vor dem Weihwasser der katholischen Kirche. Warum? Man könnte eine Erklärung finden, wenn man annimmt, das die Wünsche der Gesellschaft – welche Regierungen ja jedesmal feierlich zu beachten schwören, indem sie nur solche Dinge tun will, die Schaden vom Volk abwendet und den Nutzen mehrt – irgendwie im Widerspruch zu den eigenen Zielen und Wünschen der Regierung stehen, von denen die Gesellschaft nichts weiß und vielleicht auch gar nichts wissen soll. Was also ist es den europäischen Regierungen Wert, ihr ganzes „Vermögen“, falls man das heute noch so sagen kann, in die Rettung Griechenlands zu stecken, auch auf die Gefahr hin, ihre eigenen Gesellschaften gegen sich aufzubringen, weil deren soziale Nöte durch Minilöhne und Maximalarbeiten immer mehr verschärft werden, weil die medizinische Versorgung aufgrund der Kassengier unbezahlbar teuer zu werden droht, von Energie und würdevollem Wohnen ganz zu schweigen?

 

Es ist die uralte Angst vor Revolution. Wenn Griechenland nicht gerettet werden kann, kippt Italien, und die sozialen Aufstände, die zu einer Revolution führen können, brennt munter im Herzen Europas. Sie wieder zu unterdrücken, würde vermutlich einen europäischen Bürgerkrieg bedeuten. Nach den Vorbildern von Libyen, Tunesien und Ägypten, gefolgt vom wackelnden Syrien und der Ankündigung Israels, nun endlich mit der ganzen Weltgemeinschaft im Bunde Iran anzugreifen, weil die beim Atomespalten singen: „eins für den Strom, eins für die Bombe“, ist Europa völlig unsicher, wie es hier mit politischer und menschlicher Vernunft agieren soll.

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