Die Überschreitung des Rubrikons

Hannes Nagel

Spiegel Online hat kürzlich in der Rubrik Zeitgeschichte, welche dort „Eines Tages“ heißt, die Grenze zwischen Zeitgeschichte und Satire verwischt. Der Autor kündigte einen Text über Adolf Hitlers Rolle als V-Mann in der NSDAP an. Und schrieb: Erst bespitzelte Hitler eine Partei, dann  übernahm er sie, und am Ende richtete er mit ihr halb Europa zugrunde. Vom V-Mann zum Massenmörder, schrieb der Autor, und darum müsse man sich angesichts von Zwickauer Neonazis und  gleich einer Hand voll Spitzel vom Verfassungsschutz grundsätzlich fragen: Wem dienen V-Männer?

Der Bogen von der zeitgeschichtlichen Parallele von Hitler als Reichswehrspitzel zu den möglichen Hitlers im Bundesamt für Verfassungsschutz vor dem Hintergrund der durch die Wirtschaftskrise angespannten politischen Situation innerhalb der Europäischen Union  war sozusagen eine Überschreitung des Rubrikons, also der sensiblen Trennlinie zwischen Zeitgeschichte und Satire. Kabarettreif also. Darf ich mal erläutern? Danke.

Der Rubikon war ein Grenzfluss des Römischen Reiches. Den durfte niemand ohne Erlaubnis der Behörden in Rom überschreiten. Wer rein wollte, musste sich anmelden. Wie man sich ohne Telefon in einer Behörde anmelden sollte, wenn man, um zu ihr zu gelangen, einen Fluss überqueren muss, den man aber ohne Erlaubnis nicht überqueren darf, weiß ich nicht, hat auch Julius Cäsar nicht interessiert, der den Fluss ohne Erlaubnis überschritt und infolge dessen in Rom einen Putsch durchführen musste, um Staatschef zu werden und straffrei aus der Sache hervorzugehen. Siehe Adolf den Späteren.

Der eine überschritt die Grenze des Reiches,  Spiegel Online überschritt die Grenze zwischen zwei Rubriken, womit das Wortspiel zwischen Rubikon und Rubrikon erklärt ist.

Was jetzt noch zu klären ist, ist die Frage des NPD-Verbots. Muss man sie verbieten, oder reicht es, die Spitzel des Verfassungsschutzes aus ihr abzuziehen und mit anderen Aufgaben zu betrauen? Wer ist eigentlich eine größere Gefahr für die Demokratie: Die Finanzmärkte oder ein paar Brutalinskis aus der rechten Szene? Wenn in einem Land eine Gruppe von Rowdies aktiv ist, ist die Polizei zuständig für den inneren Frieden. Das friedliche Zusammenleben der Menschen ist tatsächlich gefährdet, wenn es Leute gibt, die morden, ballern und Schrecken verbreiten. Aber sie gefährden doch verdammt noch mal nicht gleich die ganze gesellschaftliche Ordnung. Oder doch? Nein. Eine Gefahr für die Gesellschaft geht von den politischen Steilvorlagen aus, die die NPD aufgreift, um auf Parteienebene Brutalität zu schüren. Aber dazu braucht man keine Geheimen Beobachter.

Dazu reicht, wenn wir als Publikum der Res Publica dem Schauspielensemble „NPD“ ein kräftiges „BUH“ entgegenrufen, was dann die Theaterkritiker der politischen Bühnen im Feuilleton auswalzen können.

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