Die Rückkkehr der Raben von London

 Die Rückkkehr der Raben von London

 Es ist kaum zu glauben, aber möglich: Ein DEFA-Film von 1969 für Kinder ab 6 Jahre ist in der Lage, ganz einfach und klar zu zeigen, was Arbeitsmarktpolitik, Rentenpolitik und Sozialpolitik sowie alle einschlägigen Studien des Institutes für Arbeitsmarkt und Berufsforschung nicht klar fassen können: Nämlich die systematische Verwandlung der Produktivkraft Mensch in ein Verschleißmaterial.

 Der Kinderfilm des Regisseurs Helmut Dziuba heißt „Mohr und die Raben von London“. Ich habe als 47jähriger meine Erinnerungen an den den Film aufgefrischt, den ich mit 7 zum ersten Mal sah. Mit 7 fühlte ich: Gott sei Dank, solche Zustände gibt es nicht mehr, mit 47 weiß ich: manche drehen kräftig am Rad der Geschichte. Und zwar rückwärts. Billiglöhne, lohnabhängige Erpressbarkeit sind das Ziel, und bewusste Lageverschleierung durch Werbung, Floskeln, Gaukeleien sind die Begleitmusik ins soziale Verderben des Prekariats. Benutzung. Wer arbeitet, wird benutzt wie eine ehrliche Frau von einem verlogenen Machoschwein.

Die in dem Film gezeigten Arbeitswelten sind geprägt durch Kinderarbeit mit Nachtschicht (12 bis 14 Jahre), Leiharbeit eines sonst erwerbslosen Familienvaters, der als Ersatz für die streikende Stammbelegschaft verwendet wird, Wunsch nach Arbeit als sinnvoller Betätigung bei einer Vergütung, die keine Zumutung ist, sowie Billigarbeit, Sklavenarbeit, und keine Rücksicht auf Gesundheit und Individualität.

Die Arbeitswelten von 2012, also 156 Jahre nach der Handlung des Filmes, zeigen folgende Tendenzen: Zunahme von Minijobs ohne Sozialversicherung, Zunahme von Zeitarbeit und Leiharbeit, Umwandlung von beiden in feste Kalkulationsgrundlagen der Profitgier und keine Rücksicht auf Gesundheit und Individualität.

Kürzlich gaben sowohl der Tagesspiegel aus Berlin als auch die Frankfurter Allgemeine Zeitung aus Frankfurt an der Börse eine Gerichtsentscheidung wieder, wonach Klofrauen NICHT wie vom Arbeitgeber behauptet als Trinkgeldtellerbewachungsautomat gelten und damit sehr gering im Lohne abgespiesen werden dürfen. Der Fall ging so: Eine Tankstelle hatte Klofrauen eingestellt, die eigentlich nach dem Tariflohn des Reinigungsgewerbes zu 8 fuffzehn die Stunde hätten bezahlt werden müssen. Inklusive der auf diese Lohnsumme anfallenden Beiträge für Krankenkasse, Rente und wenn mal was ist, also Pflegeversicherung. Da fiel dem Unternehmen ein, dass die Frauen ja gar nicht die Toiletten putzten, obwohl sie dazu eingestellt waren, sondern auf das Geld auf dem Teller aufpassten. Für diese Arbeit gab es dann bloß 3 sechzig oder so, und dementsprechend weniger in die Rente. Also Beschiss VOR der Rente und IN der Rente. Für die Reinigung, die ja doch noch irgendwie gemacht werden mußte, kamen dann Leiharbeiter von irgendeiner Zeitarbeitsfirma. Und nun legte das Gericht fest, dass die Damen auszubezahlen sind, und die Differenz der geringen Sozialabgaben zu den tariflichen Sozialabgabe, die soll das Unternehmen an den Fiskus ebenfalls nachzahlen, denn der kriegt ja den Abgabenschotter, um damit im Idealfall im Interesse der Zahler Ausgaben zu tätigen. Sonst wäre das ja Veruntreuung. Das tut der Fiskus nicht. Die Süddeutsche Zeitung lieferte eher abstrakte Wahrnehmungen: Die Zahl prekärer Arbeitsverhältnisse nimmt zu, und die Rentenansprüche würden auch sinken Arbeitsgrundlagen weniger Beiträge oder Fehlzeiten, Brüche, aufweisen – ich hab ja immer gedacht, PRIVATE VORSORGE wäre wirklich GANZ PRIVAT, als ob sich ein Eichelhäher ein paar Nüsse oder Eicheln zurücklegt, für den Winter, wenn der hart wird, das er dann was hat. Die Paragraphenkavallerie kalkulierte da anders.

 Es gibt im Grunde 3 Arbeitsmärkte: den regulären Arbeitsmarkt, den prekären Arbeismarkt, wo sich die Leih-und Zeitarbeiter befinden, und den Markt der Ein-Euro-Jobber. Und dann gibt es noch welche, die auf keinem dieser Märkte zugelassen sind, die können was, was niemand nutzt. Sie haben produktivfähige Qualitäten, die andere Entscheider vergammeln lassen, obwohl eigentlich die Besitzer der Qualitäten über deren Einsatz entscheiden sollten. Weil sie keiner haben will, müssen sie sich zur Freibeuterbrigade „Autonome Einsatzgruppe“ verbinden. Das Geld kommt erst kleckernd, dann leise plätschernd, und das reicht ja auch. 12.000 Euro pro Kopf und Jahr, zu 35 am Tag, sind möglich. Die Arbeiten? Befreiung des Stadbildes vom Gammel, eine Zeitung für die kleinen Leute, für gesunde Selbstversorgung mit Feldfrüchten, Obst, Wein und was so ist. Auch Energie-Solar.

Sie meinen, das geht nicht? „Das Flugblatt“ machts ja schon so. Es steckt aber noch in der Kleckerphase.

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