Rezension: Der Teufel vom Ryck

 Helene Musfedder

Rezension „Der Teufel vom Ryck“

Mittwoch. 07.November 2012

Mimis kleine Bettlektüre, Folge 3: Nix gelernt seit 500 Jahren

Meine kleine schwarze Katze streicht maunzend um meine Waden, die infolge eines Feuers im Kamin glühen, und schmiegt das Köpfchen an sie. Das Kätzchen teilt mir mit seinem Geschmiege mit, dass es entweder Freßchen oder Liebe will. Liebe heißt, sich bei mir auf dem Schoß zu räkeln und Streicheleinheiten zu bekommen. Das kann ich zwar verstehen, aber leider nicht zulassen. Nicht heute, denn es wartet wieder ein Ostseekrimi auf mich. Diesmal heißt der Tatort Greifswald. Greifswald bekam 1456 eine Universität, weil Bürgermeister Heinrich Rubenow eine Menge Drittmittel in Aussicht stellte, und die im Krimi disputierte Tat fand 1490 statt, also vor 522 Jahren, und das Buch heißt „Der Teufel vom Ryck“. Eine Tat im akademischen Milieu. Ein Kopist spielt eine irreführende Rolle, denn es geht nicht um Plagiate, sondern um Mord. Ermordet wird ein Arzt, der ein Mittel gegen Pocken sucht. Der Kopist hat bei ihm einen Nebenjob mit ein paar Nebeneinkünften. Das fängt ganz spannend an. Daher kann ich nicht im Bett weiter lesen, sondern muss akademisch brav am Schreibtisch sitzen und den Krimi wie eine wissenschaftliche Abhandlung lesen. Es ist zwar keine, aber was solls. Die Stimmung machts. Das findet das Kätzchen auch und nimmt augenblicklich einen Räkelplatz unter der wärmenden Strahlung der Schreibtischlampe ein. Schnurrend liegt es da, das Mäulchen leicht geöffnet, Zähnchen blitzen, die Äuglein sind geschlosen, während in meiner Lektüre der Kopist im Hause des Arztes zuerst auf die Leiche des Dieners stößt, dann auf die Leiche des Arztes, und dann einen Schlag auf den Deez bekommt. Infolgedessen steigt er vorübergehend aus dem Geschehen aus, und als er wieder zu sich kommt, hat er Quartier gefunden im Hause eines andern Mediziners, der gute Beziehungen zur Kommunalpolitik hat, also zum Rat, zum Vogt, zum Bürgermeister, zu allen Behörden und natürlich auch zum Rektor und zu den Professoren. Er ist also politisch gut vernetzt, würde man heute sagen. Der Kopist, weil er wegen eines Hiebes auf den Kopf nur die Hälfte des Geschehens mitgekriegt hat, klärt nun quasi im Alleingang den Fall auf, wobei immer wieder eine Kneipe mit saurem Bier auftaucht. Das ist schlimm beim Lesen, wenn man selber mal in Greifswald studiert hat, und dabei zwangsläufig an das „Amberland“ von zwischen 1990 und 1995 denken muss. Auch sonst scheint man schon 1490 in manchen Fakultäten eher an der Vermittlung von Methoden und weniger an Wissen interessiert gewesen zu sein. Es hat sich dann später verschoben. Die Medizin zum Beispiel ist aus dem Schneider. Aber so hie und da in den Geisteswissenscahften: Achgottachgott, düsteres Mittelalter.

Emma Wittenstein, „Der Teufel vom Ryck“, Hinstorff-Verlag, Rostock, 2012

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