Explodierende Lebenshaltungskosten

BEWEGUNGSMELDER

Ein Schuldzins auf das Lebensrecht

(Ein Kommentar)

Hannes Nagel

 Wo Verschwörungstheoretiker sind, gibt es auch Verschwörungspraktiker. Sonst hätten die Theoretiker nichts zu tun. Die Theoretiker rätseln zur Zeit, warum die Kosten steigen. Sie vermuten daher verborgene Praktiker hinter den unheimlichen Sogwirkungen auf das Geld in Portemonnaies, auf Konten und ständig andere Betragszahlen, die immer etwas größer sind als die zuletzt gezahlte Summe. Warum müssen diese Beträge eigentlich gezahlt werden und wer kassiert sie? Aus reinem Selbstbereicherungswunsch hat sich mir die Krankenkasse nicht mitgeteilt, dass sie ab Januar etwa 6 Euro mehr aus meinem Geldbeutel beansprucht. Ihr sitzt selbst einer im Nacken, der Hand gleich wieder aufhält, nachdem die Scheine in ihr verschwanden. Eigentlich könnten die Kraneknkasse und ich uns verbünden, um den Großen Unbekannten Kassierer mal in seinem Büro zu besuchen. Wir machen das aber nicht. Denn wir glauben noch immer an einen gesetzmäßigen Gang des Geldflusses (im Sinne von Naturgesetz, wogegen sich auch niemand auflehnt) sowie an legales Vorgehen, wie es im Sinne der FDGO abläuft. FDG heißt „Freiheitlich-Demokratische Grundordnung“.

Die 6 Euro für die Krankenkasse sind im Prinzip ein kleiner Betrag. Wenn jedoch das monatliche Einkommen ebenfalls klein ist, wirken 6 Euro wie ein dicker Brocken. Nach der Krankenkasse werden bestimmt auch die Stadtwerke bald wieder zulangen. Spätestens im Februar.

Nun kam aber im Dezember auch der Armutsbericht des Paritätischen Gesamtverbandes heraus. Sein Titel heißt: „Positive Trends gestoppt, negative beschleunigt“. Da möchte doch jeder Theoretiker gerne wissen, wer die Praraktiker sind, die zwischen Entwicklungstrends selektieren. Zumal diese Selektion bedeutet, dass positive Trends möglich sind und gesteigert werden könnten, wenn die Praktiker nicht die negativen Trends bevorzugen würden. Warum kann nicht mal das Gute, Schöne und Menschliche gefördert werden?

Konsequenterweise beschloss die FDP gerade, sie wolle noch mehr Privatisieren. Und definitiv keinen Mindestlohn einführen. Privatisieren heißt, staatlichen Besitz und Institutionen an private Betreiber zu verkaufen. Privatisierter Staatsbesitz ist also dem Vermögen des Staates entzogen. Und damit ist Privatisierung eine Enteignung der Gesellschaft. Das passt doch gut zu der Enteignungstendenz, die man im Treiben der Staaten zu erkennen glaubt. Der Gesellschaft werden auf diese Weise die Grundlagen der Versorgung mit Wasser, Strom und Öffentlichen Dienstleistungen entzogen. Der privatiserte Anbieter staatlicher Leistungen würde vermutlich im Auftrag des Großen Unbekannten Kassierers die Einkommen der arbeitenden und arbeitslosen Menschlein noch weiter beschneiden als es die Politik vermag, denn sie muss naoch ein wenig so tun, als ob die Verfassung gilt. Eine warme Wohnung und Gesundheitsfürsorge samt gesunder Ernährung gibt es dann bloß noch für Menschen, die auf einen Mindestlohn für ein Mindestmaß an Lebensrecht nicht mehr angewiesen sind.

Im September sind Wahlen. Die FDP aus der Regierung zu drängen ist möglich. Aber wenn sie auch nur Handlanger der Unbekannten Kassierer ist, rettet der Untergang der FDP die Gesellschaft auch nicht vor der zielgerichteten Verarmung.

Es sei denn, bei der Privatisierung käme das Volk, also die Gesellschaft, zum Zuge.

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