Rezension: Die nackten Tatsachen des Klaus Ender

REZENSION

 von Helene Musfedder

Ernstfälle sind der Preis fürs Fröhlichsein

 Kannten Sie die Zeitschrift „Das Magazin“, als es noch eine DDR-Zeitschrift war? Kannten Sie das Satireblatt „Eulenspiegel“ mit der Beilage „Die Funzel“? Wissen Sie ferner, dass Fotografieren ein weit verbreitetes Hobby in der DDR war? Wenn Sie dann noch wissen, dass der Besitz einer eigenen Dunkelkammerausrüstung sowie der Erwerb von Fotopapier, Filmen und notwendigem Kleinkram gar nicht soo schwierig war, dann könnte es sein, dass Sie wissen wollen, wie das möglich war, dass Bürger im Überwachungsstaat selber fotografieren und Bilder entwickeln durften. Nach solchen Gedanken haben Sie die Reife. Klaus Enders Buch „Die nackten Tatsachen des Klaus Ender“ zu lesen.

Sie lesen dann eine Autobiographie, die Ihnen mehrfach Tränen in die Augen treibt oder Sie schniefen lässt. Der Punkt ist der: Wer seinen Lebensunterhalt in der DDR mit der Fotografie verdienen wollte, brauchte einen langen Atem. Nach Klaus Enders Beschreibungen ähneln die Versuche, als anerkannter Fotograf mit regelmäßigen Aufträgen und Honoraren sein Dasein in der entwickelten sozialistischen Gesellschaft zu fristen den heutigen Versuchen freiberuflicher Journalisten, sich ohne Lohnersatzleistungen über Wasser zu halten. Bei Klaus Ender führte ein Leben mit leidvollen Erfahrungen ab Geburt 1939 zu einem Leben mit kärglichem Einkommen in der DDR und einer grandiosen fotografischen Lebensleistung. Näheres siehe unter Archiv „Das Magazin“ und „Eulenspiegel“, hier die Monatsbeilage „Funzel“.

Untrennbar ist der Name Klaus Ender mit der Fotoausstellung „Akt und Landschaft“ verbunden. Schließlich ist er der Schöpfer des Sujets, ästhetische Aktfotos auf teils spielerische, teils humoristische, teils als Novelle inszenierte Kunstfotografie in einer Ausstellung zu präsentieren. „Akt und Landschaft“ sammelte viele Fotowerke verschiedener Fotografen. Die erste „Akt und Landschaft“ organisierte Klaus Ender 1975. Als er aber in den 80er Jhren die DDR für Österreich verließ, fiel er bei den Hütern der Geschichte so sehr in Ungnade, dass sein Name und seine Ausstellung für den Rest der DDR-Zeit aus den Dokumentationen zur den Ausstellungen gelöscht wurde. Stattdessen fiel die Ehre, Ausstellungsmacher zu sein, seinem Nachfolger im Kulturbund zu. Die erste vom Nachfolger organisierte Ausstellung bekam demnach die Nummer 1 – als hätte es Enders seit 1963/64 laufende Bemühungen um genau diese Ausstellung nie gegeben. Bis heute scheint keine Richtigstellung erfolgt zu sein.

Seit 1996 lebt Klaus Ender wieder auf der Insel Rügen, der Kulisse seiner DDR-Aktfotos, Stasi, NVA und DDR-Behörden gibt es nicht mehr, aber ihn und sein umfangreiches Fotoarchiv, welches vorsichtig geschätzt eine Goldgrube für die Erforschung von Kultur und Fotografie in der DDR ist. Vom 5. Mai bis 11. August findet die nächste Ausstellung „Akt und Landschaft“ statt. Der Ort ist diesmal das Pommersche Landesmuseum in Greifswald.

Klaus Ender, „Die nackten Tatsachen des Klaus Ender“, Wevos-Verlag, Forcheim 2005 (2. Auflage)

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