Bewegungsmelder: Etwas denkt an die “Weiße Rose”

BEWEGUNSMELDER

 Bequeme Zivilcourage“

 Die Eheleute Quangel aus Falladas Roman „Jeder stirbt für sich allein“ riefen mit Postkarten zum Ende von Hitlers Krieg auf. Sie hatten die Nachricht erhalten, dass ihr Sohn für das Nichts und Wieder nichts gestorben war, dass im Heldengeschwafel der Politik „Für Volk und Vaterland“ heißt. Beide wurden verhaftet und dann mit einem Fallbeil von staatserhaltenden Behörden hingerichtet.

Am 18. Februar 1943 flatterten Flugblätter der Gruppe „Weiße Rose“ durch die Münchner Universität. Jemand denunzierte sie, die Gestapo kam, und sehr jungen Menschen wurden ihre selbst denkenden Köpfe mit einem Fallbeil vom Körper geschnitten.

Demonstrationen gegen Aufmärsche von Neonazis heute dind die einzige Scharfschneidigkeit der Zivilcourage. Mal wird sie gefordert, indem sie als „Aufstand der Anständigen“ bezeichnet wird, mal wird soziales und politisches Engagement gefordert.

Der Einsatz selbst denkender Köpfe ist den staatserhaltenden Behörden wahlweise suspekt oder im Weg. Zivilcourage ist nach Definition nur Mut zum sozial verantwortlichen Handeln. Da unterscheidet sich der Mut zur Zeugenaussage vor der Polizei erheblich vom Mut eines Barmherzigen, einer Mutter mit Kleinkind ohne Fahrschein für die S-Bahn den Ausweg in die Sicherheit zu ermöglichen.

Strafen hat man kaum zu befürchten. Jedenfalls kein KZ, Arbeitslager und erst Recht kein Fallbeil. Selbst vor dem kompletten Einzug des lebenserhaltenden Vermögens ist man solange geschützt, bis man in die Hartz-Vier-Falle gerät.

Und doch, und doch. Es gibt Dinge, die Unbehagen bereiten. Die Auslegung von zulässigen Meinungsäußerungen als Beleidigung oder Verletzung von Persönlichkeitsrechten zum Beispiel, oder wenn mit einer Rechnung vorsorglich auch gleich die Mahnung mit der Inkassoandrohung verschickt wird, falls man die Rechnung nicht pünktlich und in voller Höhe begleicht. Vor Strafandrohung sollte doch wenigstens die Chance zu korrektem Handeln gewährt werden. Sonst muss man ja schon aus Trotz, Widerstand oder Zivilcourage Ordnungswidrigkeiten begehen.

Wozu Zivilcourage? Ganz einfach: Damit ein menschlicher Umgang in der Gesellschaft auf der Grundlage von REGELN erfolgt und nicht über STRAFEN erzwungen wird.

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