Aproposia: Von Satire und Himbeerwasser

APROPOSIA

 Von Himbeerwasser und Satire“

 In Berlin setzten sich am 5. März vier Herren und eine Dame vor ein Publikum. Die Dame hieß Bascha Mika und moderierte die Ausführungen der Herren, damit sie nicht alle durcheinander reden. Die Herren hießen Klaus Staeck, Präsident der Akademie der Künste Berlin, Dieter Hildebrandt, Kabarettist, Gerhard Haderer, Karikaturist aus Österreich und Martin Sonntag von der Karikaturenausstellung in Kassel. Per Video war auch der dänische Karikaturist Kurt Westergaard anwesend, auf dessen Redefluss die Moderatorin keinen Einfluss hatte. Im Grunde ging es um die Frage: Was darf Satire und wer bestimmt darüber?

 Moderatorin: „Guten Tag, meine Herren, guten Tag, Publikum, ….“

Der Videobotschafter: „Es ist immer die Frage, ob wir Karikaturisten mehr sind als nur Pausenclowns, die den Lesern über die endlosen Wortsteppen der Zeitungsspalten erquicken und vielleicht amüsieren.“

Moderatorin: „Ja. Und ich darf noch die Gelegenheit nutzen….“

Der Videobotschafter: „Satire wird geliebt und gehasst. Sie kommt nicht von ungefähr“

Moderatorin: (schweigt und ergibt sich in den Abwartemodus)

Der Videobotschafter: „Die Mächtigen dieser Welt fürchten die satirische Karikatur mehr als Berge analysierender Artikel, denn die Zeichnung hat einen Appell, den keine Analyse hat.“ (blickt von der Leinwand zur Moderatorin

Moderatorin: (blickt kurz zur Leinwand und schweigt)

Videobotschafter: (fährt fort)

Mikrofon: (leidet an Rückkopplung)

Zuhörer: (leidet an leichter Schwerhörigkeit, nimmt nur noch unvollständig das Gespräch wahr und notiert nach bestem Wissen, was er verstanden hat)

Der Videoboschafter: (beendet seine Rede)

Der Präsident: „Satire ist kein Himbeerwasser bezieht sich auf Heinrich Böll. Der hat das 1975 gesagt und gemeint, wenn ein satirisches Plakat von Klaus Staeck eine Provokation ist, dann muss das so sein, denn Satire muss provozieren, weil sie kein Himbeerwasser ist, denn Himbeerwasser provoziert nicht.“

Moderatorin: „Ist aber auch nicht so lustig (räuspert sich) Ähm. In unserer Demokratie kann doch der Satire gar nichts Ernsthaftes zustoßen, wir haben ja den Artikel Fünf Grundgesetz, der schützt die Meinungsfreiheit.“

Der Präsident: „Aber sie kann selbst zustoßen. Darum sind wir verpflichtet, uns für alle Berufskollegen einzusetzen, die unsere komfortable Situation nicht haben.“

Zuhörer: (notierend): „Das ist wie mit einem, der aus Hartz Vier rausgekommen ist und sich verpflichtet fühlt, sich für alle noch immer leidenden Hartz Vier Opfer einzusetzen“

Kabarettist: „Anstoßen. Sie kann anstoßen. Nämlich das Denken. Das braucht nämlich einen Anstoß oder mehrere, damit es aus dem Stillstand heraus kommt“

Moderatorin: „Was darf Satire?“

Alle: „Alles“

Kabarettist: „Nur nicht verletzten. Angreifen ja, aber nicht verletzten.“

Moderatorin: „Wo liegen da die Grenzen?“

Ausstellungsmacher: „Die Grenzen der Satire bestimmt in Deutschland die Titanic“

Zwischenrufer: „Na Gott sei Dank, Ich dachte schon das Bundesverfassungsgericht“

Moderatorin: „Zwischenrufer, heute sind Sie überhaupt nicht daran. Wo also sind die Grenzen?“

Der Präsident: „Das merkt man dann schon, ob irgendwas formal Witziges auch geistreich und damit satirisch ist.“

Ausstellungsmacher: „Wir lehnen manchmal Karikaturen ab, weil das Bauchgefühl sagt, sie sind nicht richtig.“

Moderatorin: „Ist das Angst, was Sie zur Selbstzensur treibt?“

Karikaturist: „Na, des is eigentlich Streben nach Perfektion. Bei mir landen 80 Prozent meiner Entwürfe im Papierkorb – nicht aus Angst, dass sie zu scharf sind, soo scharf können die gar ned sein – sondern weils ma noch ned gefällt.“

Kabarettist: „Ich hab mich noch nie selbst zensiert. Ich prüf nur, ob der Text meinem Anspruch genügt, nicht zu verletzen, aber anzugreifen.“

Der Präsident: „Die Selbstzensur haben wir möglicherweise alle inhaliert. Nur heißt das anders, nämlich Verantwortung. Gerade weil Bilder so furchtbar schnell wirken, haben wir eine Verantwortung dafür, dass sie richtig wirken. Sonst geht das nach hinten los.“

Der Videobotschafter: „Angst erzeugt Wut. Und Wut ist ein gutes, aktives Gefühl, wenn man bedroht wird.“

Der Unker: „Also die „Titanic“ und das Bauchgefühl bestimmen die Grenzen der Satire, die ansonsten alles darf, sonst ist sie keine Satire. Das vorurteilsfreie Verbreiten einer Meinung führt im Idealfall zu Denkanstößen, und wohin die führen, weiß keiner vorher, aber manchmal sieht man, was sie anrichten.“

Der Zwischenrufer: „Bloss wie erklärt man Leuten, die keinen Spass verstehen, was Satire ist?“

Der Unker: „Es heißt ja Meinungsäußerungsfreiheit, nicht Meinungsäußerungspflicht. Also kann man ohne Selbstzensur mit jedem solche Spässchen machen, die seinem Verständnis entsprechen. Den anderen kann man ja schärfere Sachen anbieten.“

(47. Akademiegespräch der Akademie der Künste Berlin, 5. März 2013, Berlin, „Satire ist kein Himbeerwasser“, mit halbem Ohr notiert von Das Flugblatt)

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