Bewegungsmelder (zum 10. Mai)

BEWEGUNSMELDER

VOR 80 JAHREN – 10.MAI 1933

Feuer und Flamme“

Wenn jemand von einer Sache begeistert ist, sagt man, er ist „Feuer und Flamme“. Das Bild vom lodernden Herzen ist eine Beschreibung für die leidenschaftliche Hingabe zu der Ursache des lodernden Herzens. Menschen können für verschiedene Sachen brennen: Sie können vor Liebe zu einem anderen Menschen brennen, sie können als Forscher für die Heilung von unheilbaren Krankheiten brennen und sie können für die Beseitigung der Armut brennen. Niemand würde wissen, für wie viele verschiedene Sachen Menschen brennen können, wenn nicht vieles davon in Büchern aufgeschrieben wäre. Bücher gehören in Regale und Bibliotheken, damit jder die Möglichgkeit hat, sie zu lesen. Literaturkundige sollen als wandelnde Indexverzeichnisse Suchenden sagen können, in welchem von hundert tausenden Büchern die gesuchte Antwort zu finden sein kann. Literaturkundige müssen aber Menschen sein und keine mathematischen Suchalgorithmen.

Bücher haben eine Seele.Die Seelen der Bücher können Schmerzen und Leid empfinden. Gerneleser und Vielleser spüren dies, wenn jemand achtlos ein Buch aus dem Regal oder vom Tisch fegt. Solches tun manchmal Mitmenschen den Gernlesern und Viellesern an. Der Verlust einer ganzen Bibliothek ist für Gerneleser und Vielleser wie der Tod eines Mitmenschen.

Jedes Buch hat ein Schicksal, heißt es, und Büchern werden manchmal harte Schicksale zugemutet. Sie werden eingestampft, weil einem Gericht eine Formulierung auf Seite 12 nicht passt. Manchmal wird ihr Verkauf gestoppt und verboten. Dabei jubelt jede Bücherseele, wenn ein kundiger Leser es in die Hand nimmt, Gefallen findet und es kauft. Bücher blättern sich auf, wölben den Lesern ihre Seiten entgegen und sind sehr empfindlich, wenn sie nicht beachtet werden.

Das Verhältnis eines Lesers zum Buch ist eine Liebesbeziehung, oder eine kollegiale Arbeitsbeziehung. Sie ist von gegenseitiger Achtung geprägt. Die öffentliche Ermordung von Büchern vor 80 Jahren war eine Barbarei. Die gewohnheitsmäßige Missachtung von Büchern, Texten, Manuskripten ist der Sieg der Barbarei in gemäßigter Form.

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