APROPOSIA
„Vom Teekessel und dem Bullenkessel“
Um die Zeit der Blockupy-Demonstration in Frankfurt an der Börse schrieben Medien die seltsame Geschichte eines Teekessels, dessen Design aussah wie das Gesicht von Adolf Hitler. Kluge Autoren warfen dann die Frage hoch: „Wieso sieht man überall Hitler?“ Als die Frage wieder runter kam, ging es nur noch um alle möglichen Gesichter, die man in allen möglichen Gebilden zu sehen scheint, aber Interesse für den Text konnte nur diese Überschrift wecken. Darum debattiert die Aproposia-Runde: „Wieso sieht man immer Faschismus in Einsätzen der Staatsmacht?“
Moderatorin: „Guten Tag, erlauchte Runde, die heutige Frage ergibt sich aus der Frage von Dem Spiegel. Wieso sieht man überall Hitler, fragte er und bezog sich auf einen Teekessel, dessen Design wie Hitler aussieht: Der schwarze Nupps des Deckels entsprach der Rotzbremse, die Biegung und Farbgebung des Griffes dem Vulgärscheitel von Adolf Fritz von Trümmerfelden.
Der Unker: „Alles hat er in Trümmer geschlagen: Europa, Kultur, Gutgläubigkeit, Anstand, Vertrauen…“
Moderatorin: “Ja, Unker. Und viele Millionen menschliche Leben“
Zwischenrufer: „Aber der Zeitungsartikel hat weder den Charakter des Designers in Frage gestellt noch ging es im Text um Hitler, sondern um alle möglichen anderen Gesichter, die man zum Beispiel in Wolken sieht. Ich hab mal Karol Woytila…“
Moderatorin: „Ich nicht, dafür das Pony, welches ich als Kind…“
Erinnerer: „Mir fällt dazu ein, dass Teekessel auch der Tarnname für das Militärgefängnis der NVA in Schwedt war. Bei Männern, die in der NVA der DDR dienten, löst das Wort Teekessel immer noch Angst vor einer Bestrafung in der Strafanstalt aus.“
Alter Mann: „Und dann gibt es Männer, bei denen löst das Wort Kessel noch ganz andere Erinnerungen aus, obwohl die Wolga ein idyllischer Fluss sein kann.“
Mesiramis Drohne: „Solche Kessel kann man vermeiden, wenn man Drohnen hat.“
Friedrich Innengreif: „Man muss bloß wissen, wie man mit Kesseln umgeht. Meine Männer zum Beispiel kesseln im Innern, da dürfen Ihre ja nicht. Probatum est – es hat sich bewährt seit Berlin beim Besuch von Ronald Reagan am 13. Juni 1987.“
Mesiramis Drohne: Abwarten, Fritze, auch für Deine Männer werden sich Drohnen lohnen, wenn meine Männer ihre Erfahrungen haben.
Zwischenrufer zu Mesiramis Drohne: „Aber dafür müssten Ihre Männer erst mal welche hochkriegen.“
Moderatorin: „Zwischenrufer, bei aller Meinungsfreiheit, die wir NOCH haben, machen Sie bitte keine Wortspiele mit hochkriegen.“
Mesiramis Drohne: (zieht sein Jacket aus) „Kann ich das hier mal irgendwo hinhängen?“
Moderatorin: „Ja draußen auf dem Flur ist ein Ständer.“
Zwischenrufer: (Lacht schallend.)
OB-Kandidat: „Ich hab ganz gegen meine Art bisher noch nichts gesagt, nun aber muss ich es doch tun, denn ich meine, wir haben uns vom Kesselthema weit entfernt. Friedrich Innengreif hat dankenswerter Weise schon gesagt und damit bestätigt, was ich – und damit meine ich ganz persönlich -…“
Moderatorin: „OB-Kandidat, demokratische Redeflüsse sollen nicht alles wegspülen oder runterspülen, sondern kleine Pflänzchen sorgsam wässern, damit sie wachsen.“
Erinnerer: „Das haben Sie schön gesagt.“
OB-Kandidat: Ich beuge mich Ihrer Ansicht und beende meinen Satz, dass ich persönlich Bullenkessel für Bürgerkriegstaktiken halte, die gegen Demonstranten niemals eingesetzt werden dürfen, auch nicht prophylaktisch. Und wenn eine Kriegstruppe in unsere schönen Städte marschiert, dann sind die Männer von Mesiramis Drohne besser geschult. So oder so, Herr Innengreif: Gegen unbewaffnete Demonstranten brauchen Ihre Männer nicht mit Waffen vorzugehen. Das sieht – ich hab hier mal ein Foto – aus, wie Chile 1973, als Pinochet das Volk folterte und Salvador Allende per Putsch ermorden ließ, wozu ihm Völkerrechtsexperte Henry Kissinger per Gutachten grünes Licht gab.“
Moderatorin: Und damit sind wir nun endlich beim Thema Teekessel und Bullenkessel – warum wir überall Hitler sehen. Ich möchte einen von Ihnen um ein schönes Schlusswort bitten – aber nicht Mesiramis Drohne und auch nicht Friedrich Innengreif. Darf ich Sie bitten, Erinnerer?“
Erinnerer: „Wenn sich im Duktus der Sprache und dem Auftreten der Polizeien zunehmend kriegerische Attitüden breit machen UND die parlamentarische Demokratie zunehmend den Eindruck erweckt, eine FORMALDEMOKRATIE zu sein, ist es kein Wunder, dass die Hitler-Fratze als imaginäres Firmenlogo und Behördenmarkenzeichen auf beobachtbaren gesellschaftlichen Erscheinungen klebt.“