Rezension: „Die Gruppe“

Emanuel Weinlaub

Rezension „Die Gruppe“

 „Stabsschikanen

 Fast klingt es tröstlich, dass die Herren vom Regimentsstab einander genauso unkollegial behandelten wie bei den Gezwungenen die Eks die Glatten. Jedenfalls erweckt Klaus Jägers Buch „Die Gruppe“ diesen Eindruck. Darin bekommt ein Hauptmann der NVA psychosomatische Magenschmerzen und wird in eine zivile Klinik eingeliefert. Dort sollen seine Beschwerden untersucht werden. Zu diesem Zweck wird eine Gruppentherapie angeordnet. Die andern sind aber alle Zivilisten. Die Therapie verlangt also von dem Hauptmann eine Auseinandersetzung mit seiner bisherigen Lebensweise, und in der Darstellung derselben beschreibt der Autor Stäbe, Stabskultur und Offiziersdünkel. Die Namen von Regimentern und Divisionen sowie von Dienstgrad, Name, Dienststellung sind fiktiv. Nur ein genanntes Objekt existierte wirklich: „Miltärbezirk V“ in Neubrandenburg. Alle übrigen Einheiten, Dienstgrade, Charaktere hätten überall so auftreten können. Ich habe zum Beispiel eine Zivilbeschäftigte im Panzerregiment 8 in Goldberg erkannt, die Klaus Jäger gar nicht gemeint haben kann. Ihren Stabsfähnrichsgatten erkannte ich auch, obwohl er gar nicht gemeint war. Zudem erkannte ich das Artilleriieregiment „Krähennest“ in Rostock sowie das benachbarte Infanterieregiment 28 mit dem Namen „Schutzanzug“. Ich erkannte die jeweiligen StKPa, StKSc, Oos und weitere militärtätige Berufsausübende. Sie alle waren natürlich nicht gemeint. Wenn aber eine allgemeine Beschreibung so präzis ist, dass jeder Leser nach seiner Fasson seine eigenen Begegnungen erkennt, dann ist dieses Buch präzis wie ein Horoskop. Keiner ist gemeint, jeder wird erkannt.

Warum dies Buch bewegt, wenn doch das Personal vom Stabe ist, kann ich nicht erklären. Was geht mich der nervöse Magen eines Stabshauptmanns an, wenn ich mich an Schikanen von Unterleutnants, Berufswebfehlern und Kompaniechefs erinnere? Vielleicht will der Autor mit dem Buch auch nur sagen, dass der nie geliebte Militärdienst zu Recht unbeliebt war. Erst belabern sie einen, drei Jahre zu dienen statt anderthalb, und dann wird’s einem nicht gedankt. Der ganze Dienst basierte auf der Lüge der Unkollegialität. Beruhigend, dass es bei den Offizieren genauso zuging wie bei den Uffzes.

Klaus Jäger, „Die Gruppe“, Eigenverlag, Apolda 2011,

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