BEWEGUNGSMELDER: “Zur Zeit wieder Zeitgeist erlebbar”

Feuilleton-Zeitgeist

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„Zur Zeit wieder Zeitgeist erlebbar“

Am 06. Januar wurde die Redaktion der französischen Satirezeitschrift Charly Hebdo überfallen und mehrere Mitarbeiter getötet. Weil jemand dabei Allahu Akbar rief, wussten Staat, Politik und Medien sofort, dass es ein islamistischer Anschlag war. Anschließend war in Paris polizeilich gesehen die Hölle los, denn ein terroristischer Anschlag ist unerträglich. Gewalt, Krieg, Bürgerkrieg und Terrorismus sind unerträglich. Die Zeitung war das Ziel des Anschlags, weil sie bezüglich der Satire stets am Grenzfluss des Zulässigen wandelt und ihn öfter überschreitet. Die Überschreitung des Rubikons ist ihr gutes französisches Recht, weil die Meinungsfreiheit bezüglich der Satire keine Grenzen kennt. So etwa schreiben Medien, ihre Kommentatoren, so berichtet das Fernsehen.

Auch Demonstrationen fanden statt. Demos sind die verbliebene Möglichkeit, wie das Volk öffentlich seine Meinung sagen kann. In Wahlen kann es das auch, nur nicht öffentlich, denn Wahlen sind geheim, und man sieht am Ende das Ergebnis, aber nicht notwendigerweise den Willen der Wähler. Außerdem finden sie nur alle vier Jahre statt. Aber dann kam etwas, was sich PEGIDA nennt (bald: „nannte“), will sich als Bürgerinitiative verstanden wissen, und schafft vor allem eins: Auf geistlose Weise den Zeitgeist zur Antwort zu provozieren.

Immerhin besinnt sich die Zeit des Geistes, der ihr Erfüllung geben kann. das ist so ähnlich wie Beruf und Arbeit und Familie und Freunde und so weiter jedem einzelnen Menschen ein Stück weit Selbstverwirklichung geben. Zeitgeist ist die Selbstverwirklichung eines historischen Zeitabschnittes. Zur Zeit ist Vieles im Wandel. Soziale Gewissheiten werden fraglich, Krieg wieder denkbar, Egoismus und Fremdenfeindlichkeit werden salonfähig – aber vor allem und trotz allem: Zur Zeit erkennen überall Menschen, dass ihre eigene Selbstverwirklichung auch eine Selbstverwirklichung ihres historischen Zeitabschnittes ist. Für die Selbstverwirklichung braucht man zuerst nur zu erkennen, worin die eigenen Interessen bestehen. Die eigenen Interessen sind wohlbemerkt nicht die eingeredeten Interessen, die von Werbung, RTL, RadAB, Gewinnspielen und den Massenverblödungswaffen der Mainstream-Journalismusgeschütze stammen, sondern das kleine Stück Frieden, das man aus sich selbst in Augenblicken von Ruhe und Besinnung findet. Früher sagte man: „Keiner weiß, wer wen bescheißt, aber alle wissen: wir werden beschissen.“ Heute erkennt man die Scheißer. Dank Edward Snowdon und Bradley Manning, Claus von Wagner und Max Uthoff, Bloggern und Sängern sowie Denkern und Fragern sind zur Zeit sogar Menschen zumindest sensibilisiert zur Wahrnehmung von Lügen, Halbwahrheiten, Manipulationen, gegenseitiges Ausspielen von Orientierungspunkten, die unter der Kanzlerschaft von Helmut Kohl die Spasspartei FDP noch als Konkurrenzprogramm zum „Scheibenwischer“ von Dieter Hildebrandt betrachteten.

Zur Zeit ist wieder Zeitgeist erlebbar. Der führt dazu, dass statt „WIR sind das Volk und IHR nicht“ ein „WIR ALLE sind das Volk.“ gefühlt und gerufen wird. Und wir alle wollen das raus lassen, was wir können, damit wir alle unsrer Zeit Geist und Erfüllung gönnen.

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