BEWEGUNGSMELDER: Theaterpflanzen in Musengärten

Feuilleton-Zeitgeist

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„Theaterpflanzen in Musengärten“

Die Weimarer Klassik an Anna Amalias Musenhof in Weimar fing als Laientheater an. Anna Amalia besaß eine ansprechend gefüllte Schatulle, mit dem sie Dichter, Bürger und Honoratioren im gemeinsamen Spiel auf der Bühne vereinte. Doe Pfosten waren und die Bretter aufgeschlagen, und jedermann erwartete sich ein Fest. Es war eine Zeit, in der viele Leute gerne mal jemand anders gewesen wären, und so spielten sie diese Rollen dann, in kleinen Volkstücken, die ein Stück weit ein Thema aufnahmen, von dem alle etwas verstanden, die einen mehr, die anderen weniger, Arme und Reiche Unterschiedliches. Es müsste, hätte es aus jeder Gruppe einen Theaterkritiker gegeben, hochinteressant gewesen sein, Rezensionen der Armen mit Rezensionen von Bürgern und mit Rezensionen von sozial gesättigten Menschen zu vergleichen. Es wäre sozusagen eine Volksrezension des Volkstheaters geworden. Die Weimarer Klassik ermattete dann, nachdem sie das Ihre getan hatte. Städte aber mit Stolz auf ihre Kultiviertheit hielten sich mindestens eine Bühne. Mäzene zahlten, auch wenn der Unterhalt teuer war. Der Staat ist mit seiner Rolle als Mäzen überfordert. Man kann nicht Rüstung finanzieren und gleichzeitig Theater sponsoren. Ein Staat mit derlei Prioritäten hat auch keine Mittel mehr für soziale Ausgaben und für die Bildung. Kürzlich war ich im Theater in Neustrelitz. Ich wollte einmal im Leben „My Fair Lady“ erleben, bevor die Landesregierung die Bühnen von Neubandenburg und Neustrelitz zusammen wirft, dazu dann „Fusion“ sagt und Schauspieler oder Musiker entlässt. Können Sie sich eine Operette vorstellen, die mangels Orchester auf reines Textaufsagen beschränkt wird? Das Kultusministerium kann es. Am neunten April soll das letzte Wort gesprochen werden. Die Leute vom Theater – also die AUF der Bühne und die VOR der Bühne – nehmen das nicht tatenlos hin. Der Intendant sagte, für den neunten sei ein ganzes Schulgebäude in Neustrelitz angemietet worden, weil da mehr Leute reinpassen als in das ausverkaufte Theater, um möglichst viele per Information und Gespräch zu erreichen. Hoffentlich kommt der politische Kulturverstand auch, um sich erreichen zu lassen.

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