Rezension „Das kleine Buch der Sprache“
„Die kleinen großen Sprachgenies“
Der Erstspracherwerb von Kleinstbürgern lässt erwachsene Sprecher oft leicht überheblich schmunzeln. Das Schmunzeln verginge, wüssten sie genauso gut wie der Sprachwissenschaftler David Crystal, dass all das Lallen und Brabbeln disziplinierte Hochleistungsarbeit von kleinen großen Sprachgenies ist. Kleinstbürger sind Menschen, die Sprachen erlernen, ohne bereits schon mit Sprache über Sprachen reden zu können. Der gesamte Theoriestoff von Phonetik, Grammatik, Syntax und Semantik steht ihnen nicht zur Verfügung. Studenten können immerhin sagen: „Lektor, stopp, mach Pause, erst mal Käffchen, dann machen wir weiter ….“ – Kleinstbürger sind in solchem Fall darauf angewiesen, vom Lallen und Brabbeln auf Brüllen und Weinen umzuschalten. „Die Sprache“, schreibt David Crystal, „ist der Mont Everest aller Wissenschaftsgebiete.“ Das mag aus der Sicht eines Sprachwissenschaftlers zutreffen. Das Kapitel über Phonetik erinnert ein bisschen sehr stark an Professor Henry Higgins in „My Fair Lady“. Sprache ist wirklich eine sehr schöne Pflanze. Sie will aber gepflegt sein, um zu grünen und zu blühen. Higgins beziehungsweise Crystal ist aber so fair, am Ende seines Buches zu sagen, dass dies alles auf den 304 Seiten seines Buches sein komplettes Wissen über Sprache darstellt. Was darüber hinaus geht, sind Wiederholungen. Und zugleich sei zu vermuten, dass es noch unzählige Sprachen und Laute gibt, die bisher nur rein hypothetisch bekannt sind. Niemand außer ihren indigenen Sprechern würde sie kennen. Sie zu lernen, entspräche also etwa genau der Art, wie die kleinen großen Sprachgenies ihren Erstsprachenerwerb meistern.
(David Crystal, „Das kleine Buch der Sprache“, Reihe Atlantik-Bücher, Hofmann und Campe, Hamburg 2015)