FEUILLETON-KULTURBETRIEBLICHES: Thüringer Theatersorgen

FEUILLETON KULTURBETRIEBLICHES

Thüringer Theatersorgen

Es war einmal ein Bundesland mit sehr anspruchsvollem Ehrgeiz. Es wollte zu jeder Zeit in der Lage sein, Orchester, Tanz, Schauspiel und Gesang in allen Häusern, auf allen Bühnen und unter der Leitung der eigenen Intendanten zu bieten. Das war damals, als der Umgang mit Geld noch nicht die neoliberale Maßlosigkeit der Gegenwart erreicht hatte. Damals wurde subventioniert, aber nicht zum Fenster hinaus aus der öffentlichen Hand in die privaten Taschen. Auch beim Sparen kannte man noch Maß. Sozusagen ein Mindestmaß, um die Lebensfunktionen der Kultur zu erhalten statt sie durch Austerität verdursten zu lassen. Es war die Zeit, als dem Staat das Kulturgeld noch lässig in der Kaffeekasse klingelte. Die Intendantgen der Theater meldeten ihre Zuschußbegehren bei den Kultusministerium ihres Landes an. Nach kurzer formaldemokratischem Gefeilsche kam der Förderungsbescheid, und alle waren es zufrieden: Der Staat, das Land, die die Bühnen und die Schauspieler. Dann wurde das Geld knapp. Die Zuschüsse wurden spärlicher, die Minister geiziger und die Rechnungsprüfer kackten Korinthen. Man könnte sagen, das eine solche Entwicklung angesichts knapper Kassen und turbulenten Finanzmärkten normal wäre. Aber dann müsste man weiterfragen: Wessen kassen sind knapp, und wer bestimmt hier die Norm? Und warum kann man Thüringer Theatersorgen fast eins zu eins auf mecklenburgische Verhältnisse übertragen, indem man nur die Namen von Ländern, Intendanten, Ministern und Bühnen austauscht. Im Kern machen beide folgendes: Sie fusionieren die Bühnen, um ein großes Staatstheater zu betreiben, und der Rest muss die Theatersparten unter sich aufteilen. Die Intendanten können dann nur solche Stücke auf den Spielplan setzen, die sie mit ihren Leuten auch spielen können. Wenn das Schauspiel also weder Sänger noch Orchester hat, muss die Seeräuberjenny in Brechts Dreigroschenoper ein Gedicht aufsagen. Stellen Sie sich DAS mal vor. Oder eine Bühne muss sich Leute von einer anderen Bühne ausleihen. Die kommen dann herbei, sagen wir von Erfurt nach Weimar, trällern ihrs, und fahren dann zurück. Die mangels Bedarf und zwecks Einsparung entlassenen Sängerinnen und Sänger können höchstens noch einen Wutgesang auf der Straße anstimmen. Und das alles nur, weil die Politik nicht weiß, dass man Kunst und Kultur wie eine seltene Blume hüten muss, weil sie sonst verkümmert und nicht blüht.

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