Rezension „Schwarzer Falter“
von Helene Musfedder
„Der Krimi endet und das Verbrechen bleibt“
Irgendwas wollte mein Freund mir sagen, aber meine Augen flackerten wegen noch eines Ostseekrimis. Da winkte mein Freund resigniert ab. „Freund“, sagte ich besorgt, „was ist Dir?“ Er druckste. „Immer wenn Du Krimi hast, bin ich Luft für Dich. Dabei könnte ich Dir auch was zum Thema Krimi erzählen.“ „Was denn?“ „Na das man zum Beispiel gedruckten Krimis viel leichter aus dem Weg gehen kann als Verfilmten im Fernsehen. Die Verfilmten im Fernsehen dominieren das Programm. In öffentlichen Bücherregalen muss man etwas länger suchen, bis man die Abteilung Krimi findet. Es gibt Krimis an sich und Krimis, die Mitglieder einer Krimi-Reihe sind. Bei gedruckten Krimis fallen mir die Reihen Delikte-Indizien-Ermittlungen, kurz DIE, ein und angesichts von Dir und Deiner Arbeit die Reihe Ostseekrimi. Krimi-Reihen im Fernsehen heißen zum Beispiel Polizeiruf 110. Fernsehen geht leichter in den Kopf als Lesen, aber nur die Bilder bleiben lange. Lesen ist hingegen ein Aufwand an geistigen Ressourcen. Wenn ein Polizeiruf in Halle handelt und die zwei vom ermittlerduo beide Herbert heißen, dann sieht amn auf dem bleibenden Bild einen korpulenten gut gekleideten Herrn, der in kulturellen Termini parliert und gerne gut kocht. Da tun der Mann und sein Drehbuchautor gut an: Man soll schließlich nur wegen eines guten Krimis kein gutes Mahl verschmähen.“ Beschämt schwieg ich. Hatte mein bester Freund sich doch so sehr darauf gefreut, uns heute ein wunderbares abendliches Mahl zu bereiten. „Und Lesen kannste ja nachher auch noch“, bot er mir an. Na gut, beschloss ich und ging ihm zur Hand, einen trockenen Rotwein zu öffnen. Er hingegen stellte Unbeschreibliches auf den Tisch, und deswegen müssen Sie sich jetzt alleine eine Vorstellung des Mahles und eine Beschreibung desselben machen. Denn was Unbeschreiblich ist, kann ich nicht beschreiben. Mit unserer kulinarischen Grundlage machte ich mich dann an die Lektüre von marc Kaysers Ostseekrimi „Schwarzer Falter“. Der Krimi ist weit genug entfernt von allen denkbaren Verbrechen. Auf diese Weise bleibt beim Lesen genug Distanz. In dem Krimi ist von hormoneller Geschlechtsumwandlung die Rede und demzufolge von dem Konfliktpotential, welches sich aus einer unklaren sexuellen Identität ergeben kann. Alles andere schmeckt wie trockener Rotwein zu geröstetem Weißbrot mit Lauch, Tomaten und Rucolasalat. Man bekommt beim Lesen, was man beim Lesen eines Krimis begehrt, und es gibt keine unangenehmen Nebenwirkungen. „Schwarzer Falter“ ist solides kriminalliterarisches Handwerk mit einem Schuss Originalität.
(Marc Kayser, „Schwarzer Falter“, Hinstorff-Verlag, Rostock 2016)