REZENSION: „Die Rügen-Revolte“

Rezension „Die Rügen-Revolte“

„Mit feiner Nadel auf die Spitze getrieben“

 Die Suche nach dem Brennstoff Öl am Saaler Bodden so um 2014 herum entzündete die kriminelle Fantasie von Autoren, Investoren und die Gemüter in Internet-Foren. Zuerst waren es völlig fiktionsfreie Umweltschützer, die gegen die realen Erkundungsbohrungen am Bohrloch 11 in Saal am Saaler Bodden in Mecklenburg-Vorpommern, gleich zwischen Kükenshagen und Ribnitz-Damgarten in einer hauptsächlich touristisch genutzten Gegend gelegen, aus Sorge vor Grundwasservergiftung durch Fracking protestierten. Fracking ist eine Ölfördermethode, bei der ein Hochdruckflüssigkeitsstrahl in tief liegende Gesteinsschichten gepresst wir. Das Gestein zerbröselt und das frei werdende Öl wird hochgepumpt. Die Verschmutzung des Grundwassers oder die geologische Zerstörung des Untergrundes werden nach Ansicht der Umweltschützer bei dieser Methode einfach „pour le profit“ – „Für den Reichtum“ billigend in Kauf genommen. Damals in echt wurde die deutsch-kandische Ölbohrertruppe nicht müde zu erklären, dass ihre geplante Methode kein Fracking sei, sondern eine hydraulische Stimulation, bei der die Gesteinsschichten nur ein bisschen gekitzelt werden, bis sie das Öl nicht mehr an sich halten können und es heraus tröpfeln lassen. In dem Ostseekrimi „Schwarzes Gold“ aus dem Hinstorff-Verlag wird dieser echte Probebohrungsvorgang fiktionalisiert dargestellt einschließlich der tatsächlichen Szene vor versammelter Presse, wo der Geschäftsführer mit einem Finger in ein Töpchen mit der Bohrflüssigkeit stipste und dann einen Finger ableckte, wobei immer angenommen wurde, der getauchte und der beleckte Finger seien die selben beiden gewesen. Zwischen realem Erkundungsvorgang und dem Ostseekrimi gab es in der ARD eine fiktive Reportage zum Thema Öl. Sie hieß „Die Wahrheit über den Untergang der DDR“ (21.10.2015). Darin war von einer gigantischen Erdöllagerstätte in der Ostsee vor Rügen die Rede. Der Film war hanebüchener Unsinn, scheint aber einem weiteren Erdölkrimi um das Öl in Norden von Ostdeutschland als Vorlage gedient zu haben: „Die Rügen-Revolte“ von Thomas Schwandt, Südwestbuch-Verlag, Waiblingen 2016. Der Clou an dem Krimi ist die groteske Annahme, die Entlassung Pommerns aus dem schwedischen Reich sei nie in Kraft getreten. Rügen wäre damit nach wie vor ein Teil Schwedens, weshalb ein Bundestagsabgeordneter der CDU, den die Kanzlerin kalt gestellt hat wie eine Maibowle oder einen Topf mit Kwass, zu einer Art norddeutschem Separatistenführer aufsteigt. Das Spiel von Hinterbänkler, Sommerloch und ernst genommenem politischen Unsinn ist mit ganz feiner Nadel auf die Spitze getrieben. Man darf gespannt sein, ob die kriminelle Energie reicht, um in derThemenreihe: „Pour Le Profit. Erdöl an der Ostseeküste“ noch weitere Energiekrimis hervorzubringen.

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