FEUILLETON-ZEITGEIST: Strafzölle und Vergeltungspatente

Feuilleton-Zeitgeist
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„Strafzölle und Vergeltungspatente“

Der Onkel aus Amerika und seine kesse berliner Nichte stritten sich. Onkelchen fand nämlich, dass Familie nicht gleichbedeutend ist mit Selbstlosigkeit, und wenn die kesse berliner Göre weiterhin ihr vorlautes Mundwerk nicht halten würde, würde er, Onkelchen, einfach den Preis für die Erdnussbutter auf Nichtchens Frühstückssemmel erhöhen, zur Strafe eben. Über den Preis könne man sich ja dann einigen, wenn man sich über das Prinzip klar sei. Oder ob sie, die preußische Pflanze, das etwa anders sehe?
Ja, sagte die preußische Pflanze kess. Sie sehe das anders. Aber sie sagte dem Onkel erst mal noch nichts. Sie wartete noch. Ihre neue Liebe war noch beim Onkelchen. Er war ein französischer Student, der sich niedlich bemühte, nicht nach ihrer Pfeife zu tanzen, aber irgendwie nie seinen eigenen Takt fand. Obwohl er sich wirklich sehr bemühte. Er hatte sogar dem Onkel versprochen, mit der Nicht noch mal über die Butter zu reden. Die Nichte hatte inzwischen auch eine Idee. Das war etwas ganz Feines aus den Tiefen der Geschichte, was die Nichte da für den Onkel parat hatte. Damit keiner was bemerkt, ließ sie velauten, sie arbeite ihrerseits auch an Strafzöllen. Es wurde schon berichtet, dass sie Listen führe über alle Zölle, die dem Onkel weh tun könnten. So eine kesse berliner Nichte war die Nichte, dass sie der Schmerzen nicht achtete, die sie ihrem Onkel bereiten würde. So ein undankbares Engelchen war das kleine Lieschen aus Berlin. Der einzige, der wirklich ahnte, was sie vorhatte, war ihr ehemaliger Portemonnaiehüter. Der kannte aus der Geschichte die Möglichkeit, ausländische Patente unter Verwaltung zu stellen. Der völkerrechtliche Fachbegriff hiess Vergeltungspatent. Wenn der Onkel der Nichte den Handelskrieg ansagt, nimmt die Nichte die Patente von Landsleuten des Onkels in ihrem Land und friert diese ein. Im Zweiten Weltkrieg tat dies das Reichskomissariat für die Verwaltung feindlichen Vermögens, uns personell kamen die Verwalter aus den Oberfinanzdirektionen des Reiches. Wenn sie das schafft, wird der Onkel ganz klein mit Hut, denkt die Nichte und freut sich darauf, dass ihr kleiner französischer Student noch richtig was lernen kann von ihr.

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