FEUILLETON-REZENSION: Über das Strafen

FEUILLETON-REZENSION

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 „Strafe ist Vergeltung. Wiedergutmachende Strafen sind undenkbar“

 Der Mann, der das Buch „Über das Strafen“ geschrieben hat, schreibt auch Kolumnen in Spiegel Online, die mit dem Thema Recht zu tun haben. Das ist beruflich gesehen kein Wunder, denn er ist Strafrechtler. Der Mann heißt Thomas Fischer und seine schon früh im Buch genannte Hauptanschauung über das Strafen ist die Bewertung jeder Strafe als Rache. Denn keine Strafe macht die Tat ungeschehen, soll aber den Opferangehörigen oder überlebenden Opfern eine gewissen Genugtuung oder Befriedigung geben. Diese Rache wird in Regeln normiert und erscheint, wenn sie Regelkonform durchgeführt wird, als gerecht. Und doch haftet allem Strafen auch immer ein ungutes Gefühl an. Man denkt sich als Laie: Es muss doch die Länge einer Freiheitsstrafe daran gebunden sein, wann das Ziel der Strafe erreicht ist. Länger muss keiner sitzen sollen. Diesen Zeitpunkt erreicht kein Strafe. Entweder wird sie als lächerlich kurz empfunden oder als übermäßig lang.

So und ähnlich lauten des Strafrechtler ein führende Mitteilungen „Über das Strafen“, im Untertitel präzisiert zum Titel: „Recht und Sicherheit in der demokratischen Gesellschaft.“. Dann aber geht es los mit der Schelte. Einerseits soll Strafe eine kommunikative Funktion haben, denn wenn man die Bestrafung eines Täters niemandem mitteilt, schreckt sie andere Täter nicht ab und befriedigt auch die Hinterbliebenen nicht. Andererseits zweifelt der Autor an der generellen Kompetenz derjenigen, die über das Strafen berichten. Machen es Richter selbst, kann es vorkommen, dass der Bericht juristisch exakt, aber allgemein unverständlich ist. Schreiben Journalisten, mag der Text im allgemeinen Sprachgebrauch verständlich sein, aber juristisch gesehen fehlerhaft oder falsch. Im gleichen Atemzug mit dem Strafen erwähnt der Autor das Gefühl der Sicherheit, welches durch die Bestrafung nach einer Störung durch die Straftat wieder hergestellt werden. Auch dieses Gefühl hält der Autor nicht für ein Maß der inneren Sicherheit. In dunklen Gassen oder überhaupt Nachts draußen unterwegs sein zu müssen, erzeugt nicht gerade das Gefühl anheimelnder Sicherheit. Nach der Presseschelte wird der Autor wieder seriös. Er befasst sich selbstkritisch mit Strafrecht und Gerechtigkeit. An diesem Punkt wird es beinahe lustig. Denn man kann doch wohl nicht im Hauptsatz erklären, dass es kein objektives Strafmaß gibt, und im Nebensatz aus der Höhe des Strafmaßes eine objektivierende Wirkung auf der Basis der Abschreckung konstruieren. Und das auch noch unter den Rahmenbedingungen von Rechtsstaat, Menschenrechten und der allgemeinen Unschuldsvermutung bis zum Nachweis des Gegenteils.

(Thomas Fischer, „Über das Strafen“, Droemer, München 2018)

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