FEUILLETON-REZENSION: “Digitaler Humanismus”

FEUILLETON-REZENSION – Digitaler Humanismus

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„Digitaler Humanismus“

Zwickmühlen sind Situationen, in der mindestes einer von der Problemlösung ausgeschlossen wird. Im extremsten Fall wird Einer geopfert, damit andere Leben können. Die Entscheidung treffen Menschen. Das Attribut zu Mensch ist menschlich. Als Fremdwort steht das Wort humanistisch an der Stelle von menschlich. Wenn alles, was Menschen tun, menschliches Handeln ist, dann ist auch das Böse im Handeln von Menschen menschlich. Dann ist die Vorstellung von Menschlichkeit als ethischem Idealzustand falsch.

Kann es aus Zwickmühlen ethische Auswege geben? Wenn es keine ethischen Auswege aus Zwickmühlen gibt: Sind dann entstehende Zwickmühlen vorhersehbar und damit vermeidbar? Und wie muss dann ethisches Handeln aussehen, um unethische Zwickmühlen zu vermeiden? Spieltheoretiker als Vertreter der Mathematik halten Zwickmühlen für nicht lösbar. Philosophen nennen Zwickmühlen Aporie und verstehen dann gleich alle anderen nicht lösbaren Paradoxien als Zwickmühle. Die einzigen Entscheider, die mit einem realen Ethikkonflikt beim Auftritt von Zwickmühlen zu tun haben, politische oder sicherheitsbehördliche Entscheidungsträger. Deren Fragestellung lautet: Wenn ein Passagierflugzeug die Auslöschung des Lebens einer ganzen Stadt plant, darf man es dann dann abschießen und den Tod der Passagiere billigend in Kauf nehmen? Die Antwort heißt am Ende meistens ja, wird aber formal lange durch scheinbar ethische Bedenken hinausgezögert. Und dann gibt’s es da noch die Künstliche Intelligenz, über welche die Horrorvorstellung vermutet wird, sie würde eines Tages den Menschen die Entscheidungen über Leben und Tod abnehmen und dadurch das ethische Denken überflüssig machen. Dabei sind Menschen doch die einzigen Lebewesen, von denen ethisches Denken bekannt ist, zumindest im Erzählen darüber. Beim Erwägen es Ethischen stellen Menschen immer wieder fest, dass sie an einen ethischen Konflikt gelangt sind. Ihr Verstand kann ihn nicht lösen, weil der Konflikt seiner Natur nach eine Zwickmühle ist. Darum halten Menschen es für intelligent, eine lünstliche Intelligenz zu schaffen, die in der Lage ist, an ihrer Stelle den ethischen Konflikt zwischen zwei Entscheidungsmöglichkeiten zu lösen. Das ist Kapitulation vor der Verantwortung.
Ob Tiere ethisch handeln können? Zumindest handeln sie instinktiv nachhaltig und zerstören nicht ihre eigenen Lebensgrundlagen.

Menschen. die all dieses wissen, schreiben manchmal ein Buch oder gemeinsam eines, und selbiges taten im Jahre 2018 Julian Nida-Rümelin und Nathalie Weidenfeld. Ihr Buch heißt „Digitaler Humanismus. Eine Ethik für das Zeitalter der Künstlichen Intelligenz“.

(Julian Nida-Rümelin, Nathalie Weidenfeld, „Digitaler Humanismus. Eine Ethik für das Zeitalter der Künstlichen Intelligenz“, Piper-Verlag, München 2018)

Nach der Lektüre des Buches scheint der Titel „digitalisierte Menschlichkeit“ zu bedeuten. Das wäre eine Umformung des menschlichen Wesens in eine digitale Form, in der Algorithmen an die Stelle der Vernunft treten. Vor einer derartigen Entwicklung kann man gar nicht rechtzeitig genug und lautstark genug und wirkungsvoll genug ALARM schreien.

Am Rande eine Beobachtung: Wenn man mal 6 Wochen lang alles abschüttelt und zurückgezogen lebt, menschlich, mit Menschen, aber auch mit Natur und Ruhe, dann können auch Eichhörnchen Vertrauen zu Menschen fassen und ungeniert in Nähe eines Balkones Nüsschen knabbern und Eicheln. Und da bemerkt man erst, was Eichhörnchen für Gesellen sind: Die SCHMATZEN beim Essen. Ungeniert und mit vollem Genuss. Und dieses Wohlempfinden können Algorithmen und künstliche Intelligenz nicht erzeugen. Forscher können den Schöpfer in vielem kopieren und dem Teufel viele ethische Grundsätze opfern, aber sie werden dem Schöpfer nie die Fähigkeit zur Beseelung abnehmen können.

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