FEUILLETON-KULTURBETRIEBLICHES: „Das Säuseln des Valentinstages und das Säbelrasseln in Osteuropa“

FEUILLETON-KULTURBETRIEBLICHES

Das Säuseln des Valentinstages und das Säbelrasseln in Osteuropa“

Vor dem Ersten Weltkrieg galt Kultur viel in Europa. Den Satz schränkt nur die Anmerkung ein, dass der arbeitende Teil der Bevölkerung, auch unter dem Begriff „Arbeiterklasse“ bekannt, von der Kultur nicht so viel hatte. Sie konnte sich Kultur im Biergarten, Kino und beim Sport vorstellen und leisten, aber eher nicht im Theater oder in den Salons der gehobenen und sich dadurch besser fühlenden Kreise. Im Theater galt „Sehen und Gesehen werden, oder wie es in einem Stickchen von Kurt Tucholsky über zwei Damen beim Diplomatischen Empfang heißt: „Oh, da ist ja auch der Botschafter. Kommen Sie, eilen wir, dass wir ihn sehen, damit wir sagen können, dass wir ihn gesehen haben“. Solcherart sind die Zeiten nicht mehr. Die Zeiten sind anders. Die Zeit der Weimarer Republik verfügte in Berlin über eine gewisse „kultivierte Verruchtheit“: Kriminalität, Drogen, Rotlicht waren in Maßen salonfähig. Von der kultivierten Verruchtheit derZwanziger und Dreissiger Jahre ist nur noch die Verruchtheit übrig, aber keine Kultur.

Was ist kulturelle Verruchtheit und allgemeine Verruchtheit?

Verderbte Sitten, Nichtbeachtung gesellschaftlicher Schranken, Tabulosigkeit, Schamlosigkeit: Die Berliner „Kulturellen Verruchtheit“ erscheint manchen als Parodie auf die Bosheit und Schlechtigkeit der Welt, welche Merkmale der allgemeinen Verruchtheit sind. Der parodistische Charakter der Berliner Verruchtheit, die ohne Sicherheitshetz in die Kriminalität abstürzen konnte, ist sicher auch anderes beschreibbar. Diese Beschreibung ist in zusammengefasster Form eine Wiedergabe der Empfindungen, Gedanken, Verständnisse und Meinungen verschiedener Leute, die die Goldenen Zwanziger in Berlin nicht erlebt haben, aber ihre Faszination für das Schillernde, Glänzende, Prickelnde auszudrücken, welches von Finsternis, Armut, Elend auf Schritt und Fehltritt begleitet wird.

Die Groschen zu der Mark, die zu einem Hunni wird

„Die Zeiten“ sind nur der Oberbegriff für die Jahre, die zu einem Zeitabschnitt gehören. Das ist eine sprachliche Kuriosität. Eine Zeit wird hier durch die Mehrzahl von beschreibenden Elementen gleich mal zum Plural von Zeit gemacht. Den Plural von Zeit kann man nur akzeptieren, wenn man den Plural von Wirklichkeit akzeptiert. „Et Nunc et Semper et in Saecula Saeculorum“, „Jetzt und Immer und von Ewigkeit zu Ewigkeit“, sagt die katholische Kirche, und wenn das stimmt, ist eine Ewigkeit nach Ablauf ihrer Zeit beendet und es schließt sich eine neue Ewigkeit an, et nunc et semper, aber ich glaube, das hatten wir schon am Eingang dieses Absatzes. „Die Zeiten“ sind also die Jahre, die zu einer Ewigkeit gehören, wie die Groschen zu der Mark, die zu einem Hunni wird. Die Mark ist das Maximum , welches ein Groschen erreichen kann, aber Kultur und Freiheit beginnen erst darüber. Wenn jeder einen Kulturhunni erreichen könnte,

So ein Hunni ab und zu wär schön, aber es greift der Hunni nach den Märkern und erlaubt den Groschen nicht, sich wenigstens zum Fuffi zu entwickeln. Zum Hunni erst recht nicht. Denn die Hunnis, die da sind, wollen unter sich bleiben, also unter ihresgleichen, und dazu nehmen sie den Groschen die Chance, zum Fuffi zu werden. Sie verleiben sich einfach zwei Fuffis ein und machen beide zu einem einzigen Neumitglied der Hunnigilde.

Die Mark, das Zehnerle und der Valentintag

Wenn aus ein paar Mark zwei bis drei Zehnerle entstanden sind, kann man mit Schatzi ins Grüne fahren. Wenn kein Schnee liegt, geht aus auch im Februar. Verliebte sollten sich nicht nur am Valentinstag beschenken, sondern auch am Geburtstag, nach Prüfungen, zur Gesundheit, am Ende eines erholsamen Tages in der Natur und überhaupt, wenn ihnen so ist. Irgendwas ist ja immer, und manchmal kommt man vor all den guten Gründen kaum hinterher. Klassiker sind immer die Blümchen, wehalb Floristen zum Valtentinstag Hochkonjunktur haben müssten. Aber eigentlich ist die Konjunktur nebensächlich und die Liebe hauptsächlich. Denn Liebe und Frieden sind die höchsten Werte, die es zu bewahren gilt.

Der Waffenhandel, die Bedarfserzeugung und die Münchner Sicherheitskonferenz

Das sieht nicht jeder so. Zwar können auch Waffenhändler ihre Freundinnen mit Blumensträußen bombardieren. Aber das kommt dann aus dem Profit und nicht aus dem Herzen. Waffenhändler erleichtert es zu wissen, dass Valentinstag einmal im Jahr ist, den Rest kriegen sie auch noch mit Ach und Krach hin, und kommen sie zurück zum Kerngeschäft. Endverbrauchzertifikate, Schmiergelder und Exportgenehmigungen sind hochanstrengend. Und manchmal müssen sie erst noch den oppositionellen Kräften eines Landes klarmachen, dass sie Waffen brauchen. Du nicht machen peng peng ohne Bumm Bumm Geräte, sagen sie dann, und das kostet mehr Kohle, als die Groschen, Fuffis und Hunnis sich vorstellen können. Waffendealer sind lieber unter sich, als beim Süßholz raspeln mit Freundinnen. Da trifft es sich gut , wenn sie sagen können: Schatz, keine Zeit für Valentinstag, ich muss nach München. Den dort tagt beinahe zeitgleich eines der bedeutendsten Waffendealertreffen der Welt: Die Münchner Sicherheitskonferenz. Die hieß mal Wehrkundetagung und ist ansonsten die jährliche Auftaktmesse der weltgrößten Rüstungsprofiteure. Im Februar geht’s um den Absatzmarkt Ukraine, die zunächst mal 5000 Stahlhelme bekommen hat und nun auf dem Geschmack nach ambitionierten Lieferungen gekommen ist. Lettland soll noch ausgediente NVA-Haubitzen kriegen, aber da ist die Sache mit dem Schmiergeld nicht ganz einfach.

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