Zensurähnlicher Zustand, Kriegsähnlicher Zustand

Autor: Hannes Nagel

Zuerst sprach er vom Krieg. Es sei zwar keiner, wie auch sein Vorgänger schon wußte, aber die Lage werde so empfunden, und zwar vor den Militärtätigen vor Ort als auch von den Menschen an der Heimatfront, deren Interessen am Hindukusch verteidigt werden. Und weil das alle so empfinden, soll man das auch sagen dürfen.

Es ist bekanntlich so, dass es keinen gerechten Krieg gibt, und daher müssten alle Soldaten wieder nach Hause geholt werden. Das wäre auch für die Familien besser beziehungsweise für die Freundinnen und Partnerinnen, damit die Weihnachten nicht alleine sein müssen. Aber die Meldung kam nicht in den Nachrichten. Stattdessen kam: Verstärkung. Noch mehr Leute dahin, wo sie nicht sein sollten. Etwas später war der Hauptbegriff der Überschrift modifiziert. Statt Verstärkung hieß es plötzlich Truppenaufstockung. Das ist, wenn die Verstärkung dazu dient, die Truppen zu einem massiven Angriff aufzustellen. Truppenaufstockung klingt also viel martialischer als Verstärkung und ist insofern ehrlicher. Und darum gefährlich. Und heißt dann wieder: Verstärkung des Kontingents.

Der Verteidigungsminister sprach von „kriegsähnlichen Zuständen“. Die Sprachregelung für den Einsatz von Euphemismen zur Beschreibung des Krieges ist demzufolge ein „zensurähnlicher Zustand“.

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