Apropos Hartz Vier Reform

Quergedachtes

Dienstag, 12. Januar 2010

Hannes Nagel

Etwa 280.000 Hartz-Vier-Bescheide müssen nachgebessert werden, befanden Medien am Montag und heute am Dienstag. Das muss deshalb sein, weil die Entscheider fehlerhaft entschieden haben. Sie haben fehlerhaft entschieden, weil sie an den viel zu schnell und unliebsam beschlossenen Gesetzen schlecht ausgebildet wurden. Daher führte die Lieblosigkeit des Umgangs der Gesetze mit den Hartz-Vier-Opfern zum Geständnis, dass die Sozialgesetzgebung komplett reformiert werden muss.

Soll der Staat es ruhig zugeben: Er kann und will gar nicht an Hartz Vier herum reformieren, bis am Ende die Menschenwürde wieder hergestellt ist. Wo fördern ausfällt, ist fordern eine Drangsalierung. Sollen es die Hartz Vierer zugeben: Eigentlich könnten sie das bisschen Arbeitsverwaltung auch selber machen. Schließlich gibt es unter den Opfern auch genug Akademiker und sozial erfahrene Menschen, die fähig sind, für soziale Gruppen gerechte Verantwortung zu übernehmen.

Übernehmen bedeutet, etwas von einem anderen übergeben zu bekommen. Folgt ein historischer Analogieschluss. Ein Analogieschluss ist eine Methode, das Wesen einer Sache dadurch zu erklären, was nicht das Wesen dieser Sache ist. Hier die Analogie: 1918 verlor Deutschland einen Krieg und der Staat die Kontrolle über die Verwaltung. Es entstanden Arbeiter – und Soldatenräte. Verwaltungsaufgaben wurden von Leuten übernommen, die das Leben kannten. Was sie an Bürokratieausbildung nicht hatten, ersetzten sie durch Pragmatismus.

Nun also. Wenn nun die Hartz Vierer aus ihren Reihen Leute bestimmen, die die Verwaltung der Arbeitslosigkeit selber in die Hand nehmen? Weniger als die behördlich befassten Personen wissen sie auch nicht, aber sie können sie aus eigener leidvoller Erfahrung in die Folgen von Entscheidungen hinein versetzen. Das kann und will die Bürokratie nicht.

Selbstverwaltung oder Eigenverwaltung der Arbeitslosigkeit versteht bloß keiner. Die Bürokraten nicht, weil bei ihnen der Begriff „Selbstverwaltung“ schon besetzt ist. Die kucken verständnislos aus der Wäsche, wenn man damit anfängt. „Arbeitslosenräte“ geht auch nicht, da fühlt sich der Staat angegriffen.

Was wäre eigentlich so schlimm daran, wenn eine Gesellschaft der Ehrenamtlichen entsteht? Wenn der soziale und gesellschaftliche Trend ohnehin auf eine Parallelgesellschaft im Entstehen weist, ist es doch nur konsequent, wenn die ehrenamtliche Gesellschaft den Staat durch eigenverantwortliche Selbstverwaltung entlastet. Es geht ja nur darum, unfähige Behörden zu entbinden und die Geschicke selber in die Hände zu nehmen – Hände, die unfreiwillig zum Nichtstun verdammt sind. Der Staat in Gestalt seiner Behörden könnte ohne weiteres zustimmen. Er verliert ja nichts.

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